Aus den Feuilletons

Was der FC Bayern mit Picasso gemeinsam hat

Robert Lewandowski (rot), Fußball-Bundesliga-Spieler von Bayern München, gegen Mats Hummels von Borussia Dortmund
Um die Fußballkünste des FC Bayern (hier mit Spieler Robert Lewandowski, links) geht es auch in unserer Kulturpresseschau. © dpa / picture alliance / Thomas Eisenhuth
Von Arno Orzessek  · 06.10.2015
Die Kulturpresseschau befasst sich ausnahmsweise mit Sport: "Wie ich lernte, den besten deutschen Fußball zu lieben", schreibt der ehemalige Bayern-Gegner Christoph Cöln in der "Welt" - und nennt dafür Gründe.
"Frieden mit dem FC Bayern", schließt Christoph Cöln in der Tageszeitung DIE WELT. Und dabei geht es nicht um irgendeinen Schandfrieden. Nein! Cöln ist komplett übergelaufen - er schreibt allen Ernstes:
"Wie ich lernte, den besten deutschen Fußballklub zu lieben. Geständnisse eines ehemaligen Gegners."
Uns selbst wird diese Liebe wohl nie heimsuchen, im Gegenteil!
Trotzdem nötigen wir uns hier dazu, jene Passage aus Cölns Bayern-Hymne vorzutragen, die den 5:1-Sieg gegen Borussia Dortmund vom letzten Sonntag feiert.
"Hätten die Bayern-Spieler Pinsel an den Füßen, sie hätten auf dem Rasen wohl einen Picasso hinterlassen. Wer Fußball liebt, dem muss bei den Laufwegen dieser Elf, den Dribblings eines Douglas Costa und der kühlen Brillanz eines Robert Lewandowski das Wasser in den Augen stehen. Schon bisher haben die Bayern meistens gewonnen, aber nun unterhalten sie auch noch auf höchstem Niveau, mit ultramodernem, leichtfüßigem Spaßfußball. Der FC Bayern 2015, das ist höchste Bewegungskunst, ein intellektuelles Vergnügen."
Vielleicht haben Sie es bemerkt, liebe Hörer: Unsere Zähne knirschten, während wir zitierten, was Christoph Cöln in der WELT über seine neue Liebe schreibt.
Vorurteile über Obdachlose
Aber sei’s drum. Nun zu einem ganz anderen, total glamourfreien Wirklichkeitssegment: dem Leben auf der Straße. Unter dem Titel "Selber schuld?" bespricht die TAZ "Acht falsche und zwei wahre Vorurteile über Obdachlose". Eines der nach TAZ-Meinung wahren Vorurteile lautet:
"Flüchtlinge verschärfen die Konkurrenz um günstige Wohnungen!"
Dazu Timo Reuter:
"Ja, es kommen derzeit Hunderttausende Geflüchtete, die spätestens nach ihrer Anerkennung ein Anrecht auf eine Wohnung haben. Zudem gibt es auch immer mehr EU-Zuwanderer, die eine Bleibe suchen. Nun herrscht harte Nachfrage-Konkurrenz aber immer dort, wo das Angebot knapp ist. Der Staat hat es dem Markt überlassen, preiswerten Wohnraum zu schaffen. Und das ist fehlgeschlagen. Jetzt gibt es zwei Möglichkeiten: Alle treten in Konkurrenz um den zumindest in Ballungszentren kaum verbliebenen Wohnraum. Oder die Verdammten dieser Erde vereinigen sich …"
So der TAZ-Autor Reuter.
Warum ein neuer sozialer Wohnungsbau wichtig ist
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG sorgt sich unter dem Titel "Im Häuserkampf" um dasselbe Problem.
"Warum wir einen radikal neuen sozialen Wohnungsbau brauchen" – das erklärt Gerhard Matzig:
"Das Wohnen ist ein öffentliches Anliegen, es kann nicht allein der Privatwirtschaft überantwortet werden. Die Privatisierung städtischer Wohnbauträger in den letzten Jahren war ein Fehler. Weiter dienen die grotesk detaillierten Bauvorschriften vor allem der Bauindustrie - in ihrem bürokratischen Furor stehen sie preisbewusstem wie flexiblem Wohnraum im Weg. Wer den sozialen Frieden bewahren möchte, und alles andere ist übrigens auch jenseits der Humanität kostenintensiver Albtraum, muss das Wohnen auf Platz eins der Agenda setzen."
Ironischerweise berichtet Marc Zitzmann in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG über die albtraumhaften Ereignisse, die sich über den Sommer in und vor seinem Pariser Wohnhaus abgespielt haben: Brandstiftung, multipler Einbruch, Auto-Diebstahl und so weiter.
Wir empfehlen das bitter-lustige Stück "Ein Zombie im Treppenhaus" zur vollständigen Lektüre. Hier nur Zitzmanns Beschreibung der Konsequenzen, die der Sommer seines Missvergnügens hausintern hatte.
"Wir verwandeln unser Haus in Fort Knox. Der Abstellraum für den Abfall erhält ein Schloss, die Magnet-Tür wird repariert und so programmiert, dass Auswärtige (etwa Briefträger) nur noch vormittags Einlass erhalten. Der traumatisierte Nachbar kündigt seinen Mietvertrag, die Nachbarin im vierten spricht nur noch von Bewegungsmeldern und Sicherheitsschlössern." -
Nicht weniger als 140 Millionen Kilometer vom irdischen Wohn-Schlamassel entfernt spielt "Der Marsianer", der neue Film von "Alien"-Regisseur Ridley Scott. Angucken? Nein, eher nicht… Wenn es nach Verena Lueken geht, die in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG motzt:
"Keine packende Geschichte. Keine Angst, kein Gefühl überhaupt."
Nichts gegen Kino und Fernsehen, liebe Hörer – aber wir wollen Ihnen hier im Radio am Ende nicht verschweigen, dass die TAZ titelt:
"Mehr zuhören, bitte."
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