Aus den Feuilletons

Was das Verhalten von Investmentbankern beeinflusst

Die Bankentürme von Frankfurt am Main scheinen kurz nach Sonnenuntergang aus vielen kleinen Eurozeichen zu bestehen.
In der "FAZ" erklärt der Psychiater Frank Urbaniok den Zusammenhang von Umfeld und Verhaltensweisen. © picture alliance / Daniel Reinhardt
Von Arno Orzessek · 19.05.2015
Was haben Psychopathen und Investmentbanker gemeinsam? Zumindest was Egoismus und Skrupellosigkeit betrifft, sei ihr Verhalten nicht zu unterscheiden, erläutert der Psychiater Frank Urbaniok in der "FAZ" – und warnt gleichzeitig vor voreiligen Rückschlüssen.
Befassen wir uns zunächst mit dem Wesen der Aufzählung.
Selbst in ihrer knappsten Form, wenn zwei Elemente durch und verbunden werden – 'Tag und Nacht', 'Blut und Boden', 'Dick und Doof' –, hat eine Aufzählung etwas Suggestives.
Sie suggeriert nämlich irgendeinen inneren Zusammenhang des Verknüpften. Und das kann Ressentiments schüren...
Das Umfeld bestimmt das Verhalten
Wie im Fall der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG, die vielsagend titelt:
"Psychopathen und Investmentbanker".
Wir haben uns sogleich reflexhaft daran erinnert, dass es auf dem Höhepunkt der Finanzkrise hieß, in London hätten Investmentbanker das Ansehen von Kinderschändern.
"Eine Studie hat tatsächlich gezeigt (so der Psychiater Frank Urbaniok im Gespräch mit Melanie Mühl), dass sich das Verhalten von Psychopathen und Investmentbankern, was Egoismus und Skrupellosigkeit betrifft, im Grunde nicht unterscheidet. Das heißt aber nicht, dass Investmentbanker Psychopathen sind, sondern nur, dass sie sich in einem Umfeld bewegen, dass bestimmte Verhaltensweisen fördert oder sogar erzeugt. Man spricht hier von Situationstätern."
Soviel zur Investmentbanker-Ehrenrettung.
Dafür belastet Urbaniok in der FAZ die weit schlechter bezahlten Schlachthaus-Angestellten: Sie wiesen nach einer weiteren Studie "überdurchschnittliche Kriminalitätsbelastung" auf.
Urbanioks subtile Erklärung:
"Wenn sie acht Stunden am Tag im Schlachthaus arbeiten und Tier abschlachten, prägt das ihre Wahrnehmung. Viele fangen an, auch Menschen anders anzusehen, sie wissen über anatomische Strukturen Bescheid, wo welche Sehne verläuft, solche Dinge."
Die Gewaltaffinität von Schlachtern ist ein Grund mehr, es mit Andreas Hoppe zu halten.
Der "Tatort"-Kommissar bekennt zwar in der Tageszeitung DIE WELT:
"Ich esse gerne gutes Fleisch."
Plädiert aber für den möglichst seltenen Verzehr möglichst glücklichen Viehs möglichst direkt von nebenan.
"Mein Tipp: Im Zweifel die Höfe vor Ort am besten selbst anschauen."
Steroide und Kunst
Andererseits liest man in der WELT, dass Steroide, wie sie in der Massentierhaltung verabreicht werden, beim Menschen künstlerisch wertvoll wirken.
Jedenfalls behauptet das der Musiker Nick Cave:
"Ich bin ja Sänger, und wenn man morgens keine Stimme hat, sind Steroide genial. Das Problem ist nur, sie lösen tendenziell psychologische Probleme aus. Sie bringen dich komplett auf Hochtouren. Aber sie sind wirklich magisch, wenn es um die Stimme geht. Wenn Sie überhaupt nicht singen können, könnten Sie mit Steroiden auf einmal wie Maria Callas singen."
Indessen bekennt WELT-Autor Frédéric Schwilden, er habe zum Nick Cave-Song "Jubilee Street" "den Sex meines Lebens" gehabt.
Darauf Cave, wirklich cool:
"Das freut mich sehr. Erstaunlich, dass Sie den Song durchgehalten haben. Er ist ja länger als drei Minuten."
Selbstbestimmte Achselhöhle
Da wir beim Körperlichen sind:
"Achselhaare färben ist der neue heiße Scheiß in Sachen Selbstbestimmtheit",
berichtet – wie Sie wohl bereits an der Wort- und Themenwahl erkennen, liebe Hörer – die TAGESZEITUNG.
Clara Zink lässt sich von Roxie Hunt, der Frontfrau der "Free your pits"-Bewegung für Achselhaar, Grundsätzliches erklären.
"Die Schönheitsindustrie ist gezielt auf Frauen und ihre Selbstzweifel ausgerichtet. Wir müssen uns davon lösen, unerreichbaren Schönheitsidealen nachzueifern – sie sorgen dafür, dass wir uns schlecht fühlen. Wir allein entscheiden, ob wir unsere Achselhaare wachsen lassen, oder nicht."
Zwar splitternackt, aber aufgrund der Armstellung in puncto Achselbehaarung unsichere Kantonisten, sind die Damen auf dem Triptychon "Die vier Elemente" des braunen Vorzeige-Künstlers Adolf Ziegler.
"Fade arische Vierlinge" nennt sie Gottfried Knapp in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG in der Besprechung der Münchener Ausstellung "GegenKunst. 'Entartete Kunst' – 'NS-Kunst' – Sammeln nach '45".
"Die Künstler der Moderne tragen einen triumphalen Sieg davon",
jubelt Gottfried Knapp erwartungsgemäß. – Das dazu, liebe Hörer.
Und jetzt machen wir etwas Schönes, unterschlagen aber, was - und verlassen uns darauf, dass Sie von selbst nie drauf kommen!
Schließlich titelt die FAZ:
"Die Hölle ist dort, wo andere unsere Gedanken lesen."
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