Aus den Feuilletons

Was Breivik und die islamistischen Attentäter eint

Premierminister Solberg legt einen Kranz für die Terroropfer nieder.
Kranzniederlegung in Gedenken an Breviks Opfer: "Sie sind Brüder" © dpa/picture-alliance/Heiko Junge
Von Adelheid Wedel · 22.11.2015
"Sie sind Brüder", schreibt die FAZ über den norwegischen Attentäter Breivik und die Terroristen von Paris: Sie eine der Kampf gegen eine bunte Gesellschaft. Und die WELT befasst sich mit dem digitalen Anti-Terror-Krieg - zwei Themen in den Feuilletons.
"Was den Nazi und die Islamisten eint", schreibt die norwegische Journalistin Äsne Seierstad in der FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG:
"Der rechtsextreme Massenmörder und die Terroristen des Islamischen Staates kämpfen gegen die bunte Gesellschaft. Sie sind Brüder."
Breivik hatte "eine Partei namens 'Nordischer Staat' gegründet, in der er vorläufig das einzige Mitglied ist", berichtet die Journalistin, deren Bestseller "Einer von uns. Die Geschichte eines Massenmörders", nun im April 2016 auf Deutsch erscheint. Zwei Jahre nach Erscheinen dieses Buches erhielt sie dieser Tage von Breivik Post. Seierstad bewertet das als "einen weiteren Beitrag zum monomanen Kampf, den der Terrorist gegen den Islam und für das führt, was er als nordische Rasse bezeichnet."
Sein Traum war ein Aufstand, der ganz Europa erfasst und in eine "konservative Revolution mündet, die ein für alle Mal die Muslime aus Europa vertreibe". Am Abend desselben Tages, so erzählt die Autorin, kamen die Nachrichten aus Paris.
"Die dortigen Massenmorde wurden von Männern ausgeführt, die der perfekte Feind und ein Spiegelbild des norwegischen Terroristen sind. Hier wie dort richtete sich der Angriff gegen die Jungen, Progressiven, die Toleranten. Sie wollen die bunten Gesellschaften auslöschen."
Seierstads Fazit:
"Der gemeinsame Nenner von IS und Breiviks Ideologie ist Faschismus in Reinform."
Die Attentäter in Paris haben unverschlüsselte SMS benutzt
"Der IS arbeite mit Propaganda, um Menschen ohne Perspektive zu locken", meint der Hacker Stephan Urbach in der Tageszeitung DIE WELT in einem Interview über den digitalen Anti-Terror-Krieg. Wir erfahren:
"Nach den Pariser Anschlägen startete ein Teil der Hacker-Gruppe Anonymus eine Initiative zur Online-Bekämpfung des IS. Viele IS-Webseiten wurden seitdem zumindest zeitweise lahmgelegt."
Doch die Aktionen seien umstritten, "denn sie können es den Geheimdiensten erschweren, ihnen bereits bekannte Kommunikationskanäle zu überwachen". Aber mehr Überwachung durch die westlichen Staaten hält Urbach für ineffektiv.
"Die Attentäter in Paris haben unverschlüsselte SMS benutzt."
Das beweise, der französische Geheimdienst habe versagt. Nach allem, was er vom deutschen Innenministerium höre, ist er der Meinung, dass es auch hier an technischem Sachverstand fehle.
"Rettung ist ein müdes Wort"
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG zitiert die Schriftstellerin und Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller zur Flüchtlingsthematik. In ihrer Dankesrede für den Heinrich-Böll-Preis an diesem Freitag sagt sie:
"Wenn der Sog der totalen Verzweiflung ein Land erfasst, entsteht die Massenpsychose der Flucht. Die Aussichtslosigkeit ist eine Sowieso-Ursache, denn sie besagt: Überall ist es sowieso besser als hier.2
Müller tritt für die Rechte der Flüchtlinge ein:
"Der Schutz, den jeder Einzelne braucht, darf nicht begrenzt werden, nur weil ihn so viele nötig haben."
Rettung ist ein müdes Wort, so Herta Müller, aber alles daran ist besser als das Leben zu Hause mit den Fassbomben in den Straßen.
In der Tageszeitung TAZ kommt der russische Schriftsteller Sergej Lebedew zu Wort. Der 1981 in Moskau geborene Autor ärgert sich:
"Schweigen sei zutiefst sowjetisch."
Im TAZ-Gespräch erzählt er, wie er mit seinem Roman "Menschen im August" diesen seit 1917 andauernden Zustand brechen will. "Ich bin ein spätes Kind der Sowjetunion", sagt Lebedew über sich. Er wurde noch erzogen in der Vorstellung, in einer ewigen Sowjetunion zu leben. Seine Großmutter öffnete ihm mit ihrem Tagebuch eine Tür zur Vergangenheit.
"Bis dahin begann unsere Familiengeschichte erst 1917, nach der Revolution. Die Zeit davor versteckte man. Es ist paradox, aber der einzige Weg, die Vergangenheit zu verstehen, ist, einen Roman zu schreiben..."
Das sei sein Weg, mit Vergangenem zu verfahren, "das aus Abwesenheit besteht."
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