Aus den Feuilletons

Warnung vor der Datenkrake

Der frühere Innenminister Gerhart Rudolf Baum (FDP).
Verteidiger liberaler Bürgerrechte: der frühere Innenminister Gerhart Baum (FDP) © Imago / Müller-Stauffenberg
Von Gregor Sander · 12.04.2015
Googles immer raffiniertere Methoden, an Nutzerdaten heranzukommen, beschäftigen die Feuilletons einmal mehr. So fordert der ehemalige Innenminister Gerhart Baum in der FAZ Warnhinweise für Datengefahren im Netz.
Der ehemalige Bundesinnenminister Gerhart Baum wirbt in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG für mehr Datenschutz und begründet das unter anderem mit diesem Beispiel: Google hat für viel Geld die Firma Nest gekauft, die in großem Umfang lernende Raumthermostate betreibt. Sie wollen doch wohl nicht nur mit dem Betrieb der Thermostate Geld verdienen. Sie wollen in die Wohnung. Das Ziel sind auch hier personenbezogene Daten, auch aus dem Intimbereich.
Für den, der beschwichtigend fragt, was ein Thermostat denn Sensibles registrieren könne, nur ein Beispiel: Die Luftfeuchtigkeit gibt Aufschluss darüber, ob im Schlafzimmer Beischlaf stattfindet. Und so fordert der FDP-Politiker ganz einfach: Wir müssen vor Entscheidungen, die wir im Netz treffen, aufgeklärt werden. Warum gibt es zum Beispiel keine Warnungen vor Datengefahren wie diejenigen vor Krebs auf den Zigarettenschachteln?
Serienfans im Visier von Google
Wer den 82-jährigen Gerhart Baum für etwas altmodisch hält, der sollte einen Blick in die Tageszeitung DIE WELT werfen, wo Oliver Beckhoff erklärt, wie es Serienfans demnächst ergehen soll: Google will in Zukunft wissen, wer welche Serie bis wohin geschaut hat. Dafür müssen "Aktivitätsdaten" erfasst werden, wie es im Patententwurf heißt. Außerdem muss der Konzern wissen, was andere Nutzer zu der jeweiligen Serie ins Netz stellen. Dies soll in Form von "Inhaltsdateien" gespeichert werden. Dann müssen die Datensätze zusammengeführt und ausgewertet werden.
In einem weiteren Schritt soll schließlich ein "Präsentationsmodul" dem Seriengucker Warnungen anzeigen – überall dort, wo verraten wird, was der Schauende noch nicht weiß. Damit der Seriengucker weniger weiß, muss Google also mehr über ihn wissen. Genau hier könnte Gerhart Baums Datengefahrenhinweis zum Einsatz kommen.
Irak-Krieg: Mitschuld der Medien?
Willi Winkler hat für die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG die Memoiren der amerikanischen Reporterin Judith Miller gelesen. Sie berichtete Anfang der 2000er Jahre für die "New York Times" aus dem Irak: Als Judith Miller auf der ersten Seite ihrer Zeitung einen Bericht über Aluminiumröhren veröffentlichte, so Winkler, die Saddam Hussein angeblich für Zentrifugen brauchte, konnte sich Vizepräsident Dick Cheney, die treibende Kraft hinter dem Bush-Krieg, darauf berufen, dass es die seriöse "New York Times" war, die die besten Gründe für diesen Krieg lieferte.
Leider waren diese Informationen dann falsch. Miller, die später von der "New York Times" entlassen wurde, zeigt sich in ihren Memoiren allerdings wenig schuldbewusst: Dass sie sich bei Saddam Hussein nicht bloß vertan hat, sondern Mitschuld trägt an dem Unheil, das der amerikanischen Invasion gefolgt ist, will ihr nicht in den Kopf. Schuld sind die anderen.
Der Iraker Ahmed Tschalabi, dessen Informationen sich erstaunlicherweise als unzutreffend erwiesen, die CIA, weil sie die Regierung und die Reporterin falsch informiert habe, die Times natürlich, die sie fallen ließ.
Trauerfeier für den Starregisseur
Kann man eine Trauerfeier im Feuilleton besprechen? Die von Helmut Dietl schon und vielleicht hätte ihm das ja sogar gefallen. Die FAZ hat den Schriftsteller Joseph von Westphalen ans Grab des Regisseurs geschickt und der beginnt mit einer Phantasie: Eine Trauerfeier zu Ehren eines verstorbenen Starregisseurs würde in einem Dietl-Film natürlich anders aussehen.
Man kann sich das lebhaft vorstellen: Salbungsvoll geheuchelte Worte, unglaubwürdige Ohnmachtsanfälle, sich zankende Ex-Ehefrauen, empörte Honoratioren, kreischende Groupies, Prügeleien mit Blumensträußen – und dazu Dieter Hildebrandt und Franz Xaver Kroetz als skrupellose Klatschreporter, die das wüste Geschehen mit aufgerissenen Augen begeistert beobachten: tolle Story für die nächste Ausgabe der Zeitung.
Die Wirklichkeit war dann viel braver und so schließt Joseph von Westphalen mit den Worten: Zur Feier des Tages und zur Ehre des Verstorbenen wollen wir das heute einmal ausnahmsweise für möglich halten: Die Schickeria hat sich schaudernd in den Dietl-Filmen erkannt und benimmt sich nun besser.
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