Aus den Feuilletons

Von Zoff und Schlachten

Das Denkmal für die Gefallenen der österreichischen "Batterie der Toten" in der Schlacht von Königgrätz im tschechischen Chlum, aufgenommen 2016
Das Denkmal für die Gefallenen der österreichischen "Batterie der Toten" erinnert im tschechischen Chlum an die Schlacht von Königgrätz © picture alliance / dpa / Michael Heitmann
Von Arno Orzessek · 01.07.2016
Die Erinnerung an die Schlacht von Königgrätz bietet einigen Anlass, um auf die tagesaktuellen Debatten überzuleiten. Damals gingen 440.000 Soldaten aufeinander los, heute werden wortgewaltig andere Schlachten geschlagen.
"Diese Schlacht schuf Deutschland", schmettert die Tageszeitung DIE WELT. Und aus irgendeinem – gewiss unsachlichen – Grund fühlten wir uns für eine Sekunde an die Propaganda-Rhetorik aus finsteren Zeiten erinnert. Fest steht, dass der WELT-Autor Berthold Seebald das Aufeinandertreffen der Armeen Preußens und Österreichs vor 150 Jahren bei Königgrätz mit einem Faible für strategische Details nacherzählt.
Etwa 440.000 Soldaten gingen damals aufeinander los, Preußen siegte. Dann dauerte es nur noch zwei weitere Kriege, bis Deutschland 1871 zum Nationalstaat und nach verbreiteter Meinung zur Macht Nr. 1 in Europa avancierte.
"Dass dieses Ergebnis von Königgrätz 1914 und 1939 verspielt wurde [so Seebald], lag nicht zuletzt an der Schlacht selbst. Denn der kurze Feldzug und die geplante Einschließung, die eindeutige Entscheidung, das alles hat die preußisch-deutschen Militärs in ihrer Überzeugung von der eigenen Feldherrnkunst noch einmal bestärkt. Der Traum von der schnellen Entscheidungsschlacht […] wurde zu einem fatalen Dogma, das zum Schlieffenplan des Ersten und zu den Blitzkriegen des Zweiten Weltkriegs führte."

Nation oder "Moloch Europa"

Gleiches Thema, andere Perspektive: Unter der Überschrift "Was für ein wackeliges Gebilde!" nimmt Arno Widmann in der BERLINER ZEITUNG die Schlacht von Königgrätz zum Anlass, um auf tagesaktuelle Debatten zu kommen.
"Es ist heute wieder viel von der Wichtigkeit der Nationalstaaten und der Nation die Rede. Sie seien natürlicher als der Moloch Europa. Nun, das Wort ‚natürlich‘ sollte das Letzte sein, was einem bei dem Wort Nationalstaat einfällt. […] Nationalstaaten – freilich nicht nur die – sind immer auch das Ergebnis von Massakern. Auch das Deutschland, das wir kennen, entstand nicht dadurch, dass zusammenwuchs, was zusammengehört. Es wurde zusammenkartätscht", betont Arno Widmann.

Zoff in Bayreuth

Was mal wieder bei den Bayreuther Festspielen abläuft, ist natürlich keine Schlacht im Wortsinn – aber doch namhafter Zoff. Und je nachdem, welches Feuilleton man heranzieht, sieht die Sache anders aus. Sicher ist: Andris Nelsons, der vorgesehene Dirigent der ‚Parsifal‘-Premiere am 25. Juli, hat sich über Nacht vom Grünen Hügel wie vom sprichwörtlichen Acker gemacht.
"Die Gerüchte besagen [so Peter Uehling in der BERLINER ZEITUNG], dass [der Musikdirektor Christian] Thielemann bei jeder Probe seinen Senf dazugibt, egal, ob es ich sich um den jüngeren Kollegen Nelsons oder den älteren Marek Janowski handelt […] . Bei Nelsons soll es so weit gekommen sein, dass Chor und Orchester plötzlich so spielten, wie es Thielemann gefiel, nicht so, wie es Nelsons wollte. Das allerdings ist Grund genug, den Laden hinzuschmeißen."

Dementi mit Unschuldsmiene

Peter Uehling weist darauf hin, dass Thielemann die Gerüchte "mit Unschuldsmiene dementieren" werde – und was macht Thielemann in einem langen Interview in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG? Nun, er dementiert mit Unschuldsmiene.
"Nein, ich nehme keinen Einfluss. Ich gebe nur meine Erfahrungen aus den 143 Aufführungen, die ich hier schon dirigiert habe, weiter an Kollegen, die das wollen. Das ist wichtig. Wenn ich nicht gefragt werde, tue ich überhaupt nichts. Es ist ein völliges Missverständnis zu denken, der Thieleman sitzt jetzt da als Aufpasser oder er verhindert Kollegen. Wissen Sie, ich habe so viel zu tun, ich brauche das gar nicht", erklärt mit einem leichten Zug ins Ehrpusselige Christian Thielemann in der SZ.
Unser innerer Feuilleton-Detektiv würde die Erklärung überzeugender finden, wenn Thielemann einen Grund dafür angäbe, warum Nelsons Hals über Kopf nach Riga verschwunden ist – gibt er aber nicht. Sei’s drum.

Frohe Botschaft zum Wochenende

Um unsere Presseschau mit einer frohen Botschaft für alle Menschen zu beenden, schlagen wir die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG auf. Dort heißt es: "Freuen wir uns, das Ozonloch über dem Südpol erholt sich. Endgültig, sagen die Wissenschaftler. Eine gute Nachricht, ein historische mithin. […] Planetarische Solidarität [in Sachen Umweltschutz] kann sich auszahlen."
Liebe Hörer, wir wünschen Ihnen, das Sie das Wochenende in jener Atmosphäre verbringen, die in der BERLINER ZEITUNG Überschrift wurde - nämlich "Im Glanz des Seins".
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