Aus den Feuilletons

Von Falken, Erregern und dem elektrischem Stuhl

Arnold Schwarzenegger in einer Filmszene aus "Terminator ", umgeben von Feuer, schießend
Goldene Kamera für Arnold Schwarzenegger: Im Film wie in der Realität erbarmungslos © dpa/picture alliance/dpa-Film
Von Hans von Trotha · 01.03.2015
Das Feuilleton trauert um den "Falken" Yaşar Kemal. Die "Süddeutsche" beschäftigt sich zudem mit der Angst vor Seuchen - und fragt, ob Todesstrafen-Befürworter eigentlich Preise für ihr Lebenswerk verdienen.
Manchmal sind es die Überschriften, welche die Feuilletons zur Kenntlichkeit entstellen – im Guten wie im Bösen. Zum Beispiel transportiert die phantasie- und würdevolle Zuwendung, die in Nachrufüberschriften stecken kann, viel von warmherziger Anerkennung.
Kemal ist Falke, Traktorfahrer, Dorfjunge und anatolischer Cervantes zugleich
"Der Falke fliegt nicht mehr. Aus Anatolien ins Weltoffene", titelt die FAZ zum Tod von Yaşar Kemal. Auch poetisch die SÜDDEUTSCHE: "Der fantastische Traktorfahrer der Literatur". Tim Neshitov zitiert den Verstorbenen mit dem Satz: "Sollte ich noch mal auf die Welt kommen,will ich Traktorfahrer sein." Die TAZ gedenkt mit einem schlichten "Der Junge aus dem Dorf", die NZZ mit einem ehrerbietigen "Der alte Mann und sein Land", die WELT etwas aufgeregt mit der Schlagzeile: "Der Cervantes von Anatolien lehrte Erdogan das Fürchten". Iris Alanyali erklärt den Schriftsteller, der den begehrtesten Literaturpreis nicht erhalten hat, ein wenig boulevardesk, aber nett gemeint, zum "Nobelpreisträger der Herzen".
Die Killerseuche ist inzwischen Ersatz für die atomare Bedrohung
"Die Erregung der Erreger" lautet eine SÜDDEUTSCHE-Überschrift – und die ist deshalb richtig gut, weil der lange Text das Wortspiel einholt. Wolfgang U. Eckart ist Direktor des Heidelberger Instituts für Geschichte und Ethik der Medizin und erzählt uns eine "Geschichte der Seuchenangst". "Ansteckende Krankheiten sind nicht schön", stellt er fest, um zu fragen: "Aber warum wird immer gleich die Apokalypse beschworen?" Er hat dazu interessante Thesen, etwa die: "Die Killerseuche, die alles erfasst, ist so etwas wie ein Ersatz für die atomare Bedrohung."
Zwischendrin macht er uns mit viel Sinn für Dramaturgie ordentlich Angst:
"Tragen Sie Handschuhe bei der Fahrt mit dem Bus, mit dem ICE, mit der Untergrundbahn ... ? Wer die jüngste Studie über Bakterienvorkommen im New Yorker Subway-System gelesen hat, weiß, dass sich im weitverzweigten unterirdischen Verkehrssystem von New York problemlos das Erbgut von mehr als 600 verschiedenen Mikroorganismen unterscheiden lässt."
Eckart weiß, dass man den Effekt steigert, wenn man den Dingen menschliche Züge gibt:
"Die meisten der gefundenen DNA-Fragmente – an Handgriffen, auf Sitzen, an den atembeschlagenen Scheiben, auf dem Boden – stammen dabei wohl von harmlosen Gesellen: ubiquitäre Herumlungerer auf der menschlichen Haut, die üblichen Fäkalstreuner des Darm- und Urogenitaltraktes ... . Aber auch bösartiges bakterielles Lumpenpack ist dabei, ja teilweise hochresistene Keimpopulationen treiben sich da herum, und in manchen feuchten dunklen Winkeln lauern wirklich bösartige Killer. ... Und doch ... die geringe Wahrscheinlichkeit, in der Bronx, in Harlem oder der Upper Westside erschossen oder erstochen zu werden, ist letztlich immer noch größer, als dort einer Seuche zum Opfer zu fallen."
Letztlich. Immerhin.
Die SÜDDEUTSCHE hat´s besonders mit den Überschriften. Auf ein und derselben Seite lockt sie mit: "Alles muss raus" über der Ankündigung einer Fernseh-Dokumentation zum Abzug der Isaf-Truppen aus Afghanistan, "Geschminkte Wahrheit" über der Kritik des Hexenverfolgungs-Dramas "Die Seelen im Feuer" und, schlicht, aber effektiv, mit: "Der Größte".
Schwarzenegger hat Gnadengesuche zum Tode Verurteilter abgelehnt
Wer schaut da nicht hin. Und zu gern wüsste man, wie viele die SÜDDEUTSCHE lesende Kulturaktivisten da für einen Moment glauben, sie könnten gemeint sein. Es ist aber ein anderer. Willi Winkler schreibt:
"Niemand bezweifelt, dass Arnold Schwarzenegger der Größte ist (mit Schuhen 1,88 Meter) oder dass er mehr Muskeln hat, als auf eine Kuhhaut gehen, oder dass er lauter Filme gemacht hat, die mit wenigen Sätzen Milliarden eingespielt haben. Er hat also jede Auszeichnung von Mr. Olympia als bester Bodybuilder bis zum Razzie für die meisten Nominierungen als schlechtester Schauspieler verdient, doch bis zum vergangenen Freitag fehlte ihm noch die Goldene Kamera für sein Lebenswerk."
Winkler fügt allerdings hinzu:
"Noch schöner, noch edler wär's gewesen, hätte ... der Gouverneur Schwarzenegger auf das Wort Nein verzichtet. Als ihm nämlich nach diversen Todesurteilen Gnadengesuche vorgelegt wurden, fiel ihm nur das Nein ein, und die Verurteilten wurden hingerichtet. Die Todesstrafe ist in Österreich und Deutschland abgeschafft, sie gilt innerhalb der Europäischen Union als inhuman, aber so eine Preisverleihung an einen Weltstar hat auch was Schönes. Drum hat's der gute Thommy Gottschalk (1,92 Meter) moderiert, und das ZDF (noch ein bisschen größer) hat's gesendet."
So sieht´s dann plötzlich aus, das mit der Größe. Also: Immer Vorsicht bei den Schlagzeilen. Im Feuilleton gilt das Wort der Autoren - nicht das der Überschriftenredakteure.
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