Aus den Feuilletons

Viele Meinungen zum "Zeugenhaus"

Die Schauspieler Gisela Schneeberger, Edgar Selge, Iris Berben, Udo Samel und Jeff Burrell präsentieren den ZDF-Film "Das Zeugenhaus", der am 24. November ausgestrahlt wird.
"Das Zeugenhaus" im ZDF mit (von links) Gisela Schneeberger, Edgar Selge, Iris Berben, Udo Samel und Jeff Burrell © dpa / picture alliance / Jörg Carstensen
Von Tobias Wenzel · 21.11.2014
Eine "scharfsichtige filmische Diagnose" zur Nachkriegszeit hat die NZZ gesehen. Ganz anders, nämlich als "quälend" erlebte die FAZ den prominent besetzten ZDF-Film "Das Zeugenhaus" nach einer wahren Geschichte, in dem KZ-Überlebende mit Nazis frühstücken.
„Wadenbeißer", „Bluthunde", „Ratten und Schmeißfliegen", „Aasgeier" und „Schmierfinken" – die WELT hat aufgelistet, mit welchen tierischen Namen Journalisten gerne beschimpft werden. Literaturkritiker würden insbesondere häufig mit Parasiten verglichen. Nietzsche habe dazu, mit kurios-positivem Touch, geschrieben: „Die Insekten stechen nicht aus Bosheit, sondern weil sie leben wollen; ebenso unsere Kritiker, sie wollen unser Blut, nicht unseren Schmerz."
Als hätte er sich mit seinem Kollegen abgesprochen, schreibt, ebenfalls in der WELT, Eckhard Fuhr über die Zecken, die seinen Hund befallen haben, und über deren erstaunliches Äußeres: „Zum Beispiel die fein ziselierte Zeichnung des Panzers der Auwaldzecke." Und zum Holzbock: „Das Kastanienbraun seines hinteren Körpers kontrastiert schön mit dem Lackschwarz seines Schilds. Niemand kann erklären, warum Mistviecher schön sein müssen."
Von „schön" und „hässlich" zu „gut" und „böse": „Gut und Böse" ließen sich nicht einfach auseinanderdividieren, schreibt Claudia Schwartz in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG mit Blick auf den ZDF-Film „Das Zeugenhaus". Es gebe eine „Grauzone zwischen Mitläufertum, Gleichgültigkeit, Opportunismus und Technokratentum". Der Spielfilm basiert auf einer unglaublichen historischen Tatsache: Während der Nürnberger Prozesse wurden die Zeugen der Anklage gemeinsam mit den Zeugen der Verteidigung untergebracht, in einem Gästehaus am Stadtrand. KZ-Überlebende frühstückten mit Nazis. Achim Zons hat für die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG ein Jahr lang die Umsetzung des Films protokolliert, von der Idee, die Regisseur Matti Geschonneck begeisterte, bis zur ersten öffentlichen Vorführung. „Das Zeugenhaus" sei „eine scharfsichtige filmische Diagnose zur deutschen Nachkriegszeit", lobt Claudia Schwartz in der NZZ. Ursula Scheer von der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG scheint einen anderen Film gesehen zu haben: „Wenn seine 106 Minuten sich nicht so quälend in die Länge zögen, man müsste atemlos verfolgen, wie sich von gut einem Dutzend renommierter Fernsehmimen einzig Matthias Brandt mit einer exzellenten Vorstellung weigert, als Schauspieler aufzutreten, der vor der Kamera Text aufsagt." In diesem Film rücke die „schuldhafte Verstrickung [...] ins Anekdotische".
Über Cornelius Gurlitt, Sohn des Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt, sind schon so einige Anekdoten verbreitet worden. Zum Beispiel die, er sei ein Messie gewesen und ein Teil seiner millionenschweren Gemäldesammlung sei in einem beklagenswerten Zustand angetroffen worden. Die Meldungen, das Kunstmuseum Bern wolle das Erbe der Gurlitt-Sammlung antreten, eine Cousine Gurlitts habe nun aber, infolge eines Gutachtens, das Gurlitts Zurechnungsfähigkeit bei Abfassung des Testaments bezweifelt, auch Anspruch auf das Erbe erhoben, lösten gleich mehrere Aufmacher in den Feuilletons vom Samstag aus. Drei Autoren der SZ wiesen darauf hin, dass die Taskforce möglicherweise noch Jahre brauche, um zu ermitteln, welche Werke NS-Raubkunst seien. Nikolaus Bernau empört sich in der BERLINER ZEITUNG: „Das, was Hildebrand Gurlitt an ‚Entarteter Kunst' erworben hatte, blieb sein Besitz, und eventuelle Raubkunst-Fälle sind durch die in Deutschland skandalös kurzen Verjährungsfristen legalisiert. Der ‚Fall Gurlitt' ist deswegen inzwischen Symbol für den spurenverwischenden Umgang des Kunsthandels, der Museen, der Sammler und der deutschen Bevölkerung mit dem Erbe des Raubzugs der Nazis."
Darf man so pessimistisch enden? Ja, klar! Würde jedenfalls der britische Schriftsteller Howard Jacobson sagen. Seine Begründung in der WELT: „Weil das Schlimmste, was uns passieren kann, nicht Pessimismus ist, sondern Optimismus. Triumphalismus à la ‚Ist das nicht toll, was du durch die Welt von Apple und Google bekommst?' Nein, das ist nicht toll!"