Aus den Feuilletons

ÜKOKA gesucht!

Bundespräsident Joachim Gauck (M) steht am 31.08.2016 am Flughafen von Frankfurt am Main (Hessen) bei der Verabschiedung der deutschen Paralympics-Mannschaft nach Rio de Janeiro zwischen den Athleten David Behre (l), Sebastian Dietz (r) und Mathias Mester.
Für Bundespräsident Joachim Gauck wird ein(e) Nachfolger(in) gesucht. Noch scheinen keine geeigneten Kandidaten in Sicht. © dpa / Arne Dedert
Von Ulrike Timm · 12.10.2016
Ein überparteilicher Kompromisskandidat bzw. Kandidatin für das Bundespräsidentenamt –kurz: ÜKOKA – muss her, findet die "Taz". Ein solcher wird sicherlich auch bei der Vergabe des Literaturnobelpreises gesucht.
ÜKOKA gesucht – überparteilicher Kompromisskandidat bzw. Kandidatin für das Bundespräsidentenamt. So spricht die TAZ und ist sich sicher:
"Wir pfaffen das!"
Bei der Suche nach ÜKOKA soll Margot Käßmann ausgeguckt worden sein, die hat zwar vorsichtshalber schon abgesagt, aber der Gedanke steht im Raum:
"Wo also jemanden rekrutieren, die unbelastet durch vorhergehende politische Ämter und durch eine gewisse Seligkeit in Art und Gebaren alle Beteiligten glücklich macht?"
Nachdem 2012 der evangelische Pastor Gauck die Hürde nahm, sollte man vielleicht im anderen Lager, bei den Katholiken gucken?
"Ach nein, denen ist es nach eigenem Recht untersagt, weltliche Ämter anzustreben", erklärt die TAZ und schlussfolgert:
"Gut, das wenigstens irgendwer die Idee der Trennung von Kirche und Staat verstanden hat."

Wer den Literaturnobelpreis wohl nicht bekommen wird

Ein oder eine ÜKOKA sollte den Literaturnobelpreis möglichst nicht bekommen, und doch läuft es auch hier bestimmt oft genug auf überparteiliche KompromisskandidatInnen hinaus – aber die müssen ja nicht fünf Jahre bleiben, ein paar Wochen Buchmarkt, und in vielen Fällen ist es damit getan.
So konzentrieren sich die Feuilletons kurz vor Bekanntgabe des oder der in diesem Jahr Gekürten auf Artikel über Schriftsteller, die wahrscheinlich nix abkriegen.
Wobei die FAZ ein Problem hätte, falls der ewige Kandidat Philip Roth doch erfolgreich sein sollte - man müsste dann nachlegen, denn die FAZ hat heute schon einen großen Artikel über den amerikanischen Schriftsteller im Blatt und fragt:
"Wird Philip Roth beim Literatur-Nobelpreis etwa übergangen, weil seine Bücher frauenfeindlich sind? Und sind die Männer bei ihm denn besser?"

Die große Liebe des Francois Mitterand

Sehr frauenzugewandt war der 1996 verstorbene französische Staatspräsident Francois Mitterand, er hatte gleich zwei Familien, eine offizielle und eine weitere, die ebenso wie ein Staatsgeheimnis gehütet als auch wie eines respektiert wurde.
Das geht – oder ging - mit derartiger Selbstverständlichkeit, Noblesse und Grandezza so wohl nur in Frankreich. Durchaus gerührt hat Josef Hanimann für die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG in der Liebesprosa von Mitterand an Anne Pingeot gelesen. Über 30 Jahre lang waren die beiden ein Paar, ohne eines sein zu dürfen, was sie einander schrieben, bewegt derzeit die Grande Nation.
Und sehr französisch sei es, meint die SÜDDEUTSCHE, wenn "Sensationslust und Freizügigkeit durch Haltung und Stil eine überzeugende Verbindung eingehen können"
Aber posthum gibt es keine Auszeichnung aus Stockholm, und den ungarischen Schriftsteller Gyögy Dalos, der in der WELT den "klassischen Putsch" Präsident Orbans gegen die einzig noch verbliebene größere unabhängige Zeitung Népszabadság beklagt, den hat das noble Komitee wohl auch nicht auf der Rechnung.

Die widerborstige Wienerin

Und Kinderbuchautorinnen kriegen den Literaturnobelpreis sowieso nie! Was für ein Glück, dass Christine Nöstlinger so Geburtstag hat, dass ihr vor der großen Aufregung noch gratuliert werden kann – es geschieht ausführlich, in Interviews mit FAZ, SZ und WELT, eines schöner als das andere. Gut so, wir werden immer auf den Gurkenkönig pfeifen, aber niemals auf diese widerborstig- grantig- liebevoll- linke Wienerin!
"Hören S‘ endlich auf damit!" wehrt sie sich in der WELT, wenn man ihr ein "Werk" nachsagt, "der Hölderlin hat ein Werk! Aber meine Bücher sind doch kein Werk!".
Da wollen wir doch fröhlich widersprechen, Hölderlin hält das aus. Eine Begegnung mit Christine Nöstlinger sei ein Erlebnis, freut sich die FAZ, vom Foto in der SÜDDEUTSCHEN schaut sie ratlos-bedrückt - der Rechtsruck Europas treibt sie um.
"Ich bin nur noch traurig", ist das Gespräch mit ihr überschrieben, und wenn man besorgt zu lesen beginnt, kommt schon der Nöstlingersche Konter:
"Ich bin ein heiterer Pessimist. Ein bisschen traurig sein macht nichts, das ziert den Menschen. Aber ich fürchte, es wird nicht mehr gut werden mit der Welt, solange ich lebe."
In ein paar Stunden erfahren wir, wer den Literaturnobelpreis kriegt, aber vorher feiern wir Christine Nöstlinger, sie wird 80, Glückwunsch, Chapeau!
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