Aus den Feuilletons

Shakespeares Vorlage für US-Wahlkampf

Shakespeare mit einem Twitter- und einem Facebook-Account in einem Pub in London
Wie wäre es, wenn Shakespeare einen Twitter- und einen Facebook-Account hätte? © dpa / picture alliance / Jens Kalaene
Von Hans von Trotha · 11.10.2016
"Richard III." von Shakespeare sei gruselig aktuell, ist der amerikanische Literaturprofessor Stephen Greenblatt in der "FAZ" überzeugt. Es gebe dort nicht nur den Typus Donald Trump, sondern auch die Zuschauer, die sich von seinen Lügen seltsam angezogen fühlen.
"Wie kommt ein Soziopath zur Macht?", fragt der amerikanische Literaturprofessor Stephen Greenblatt in der FAZ. Er waltet vorbildlich seines literaturhistorischen Amtes. Indem er behauptet:
"Shakespeare erklärt die amerikanische Präsidentschaftswahl."
Und zwar in dem Stück "Richard III." Das zeige eine "Nation der Möglichmacher", verteilt auf verschiedene Typen:
"Erstens sind da jene, die fest daran glauben, dass alles in seinen normalen Bahnen weiterlaufen wird ... Zweitens treten jene auf, die nicht im Blick behalten, dass Richard wirklich so böse ist, wie er erscheint. ... Drittens gibt es jene Gruppe der Möglichmacher, die sich vor den Demütigungen und offenen Gewaltandrohungen fürchten ... Viertens lässt Shakespeare jene auftreten, die sich selbst darin bestärken, einen Vorteil daraus ziehen zu können, sollte Richard tatsächlich die Macht erlangen. ... Fünftens und vielleicht am merkwürdigsten von allen Möglichmachern sind jene, die großes Vergnügen daran haben, dass sich die so lange aufgestaute Aggression endlich Luft machen und der schwarze Humor Raum greifen kann, und dass nunmehr offen gesagt werden darf, was zuvor als unsagbar galt. ... Man muss", fügt Greenblatt hinzu, "nicht lange suchen, um diesen Typus eines Kollaborateurs zu finden. ... Gemeint sind wir Zuschauer, die sich seltsam angezogen fühlen: von den Lügen, die so effektiv zu sein scheinen, obwohl niemand sie glaubt."
Das ist tatsächlich gruselig aktuell. Und wird dadurch nicht besser, dass das Welt- und ja, auch das Frauenbild, das Richard, pardon, Donald Trump umhertrompetet, fröhliche Urständ zu feiern scheint. Jens Balzer findet es sogar schon auf den Popbühnen.

"Süße kleine Maus" Vanessa Mai

"Einige Überlegungen zum Stand der Geschlechterverhältnisse anlässlich des Konzerts von Vanessa Mai" überschreibt er seine Überlegungen in der BERLINER ZEITUNG. Es geht um Vanessa Mai, Jahrgang 1992, die als "neue Helene Fischer" gefeiert wird.
"Einige Male", berichtet Balzer aus dem Berliner Tempodrom, "wurden kleine Mädchen
auf die Bühne geholt ... . Sie wurden ... konsequent als 'kleine süße Mäuse' angeredet – so konsequent und auf Augenhöhe, dass Vanessa Mai keinen Zweifel daran ließ, dass sie sich selber als kleine süße Maus sieht. Dass es draußen in der restlichen Welt irgendeine Frau geben könnte, die diese Anrede als sexuell abwertend empfindet, wirkte am Montag im Tempodrom undenkbar und unverständlich. Damit", so Jens Balzer, "dringen wir nun zum Kern der Mai'schen Ästhetik vor. ... Vanessa Mai ... hat die Sprache der Selbstbestimmtheit und Unterwerfung durch jene der Unterwürfigkeit und Unvollständigkeit ersetzt: Bei ihr ist die Frau ein unsouveränes Mangelwesen, das erst durch die dauerhafte Vereinigung mit einem souveränen Mann zu sich selbst kommt."

Nach "Kir Royal": Berlin als "Scheißstadt"

So wie damals schon die Mona und der Baby. Sie erinnern sich? Baby Schimmerlos. Senta Berger und Franz Xaver Kroetz, das Traumpaar aus der Serie "Kir Royal". Die SÜDDEUTSCHE bringt einen Text aus dem Nachlass von Helmut Dietl, in dem der Regisseur erzählt, "was aus den Figuren später wurde". Baby erwischt´s arg – er landet sogar in Berlin.
"Schon nach kürzester Zeit fühlte sich Baby in Berlin schlecht wie nie zuvor in seinem Leben. Ob es das Heimweh nach seinem geliebten München war, der Verlust seines engsten Freundes und Arbeitskollegen Herbie, oder der zunehmende Verlust seiner eigenen Bedeutung als Gesellschaftsreporter, Baby hätte viele Gründe nennen können, warum die neue Hauptstadt eine 'Scheißstadt' war."
Immerhin kommt Mona ihn immer wieder besuchen.
"Sie liebte ihn halt immer noch, ihren Baby, ihr einst so `blondes Baby´, und die einzige Möglichkeit, ihre Sehnsucht, ihr Heimweh nach ihm zu bekämpfen, war, ihn immer wieder zu treffen ... Nach spätestens einem halben Jahr verspürte sie wieder denselben sehnsuchtsvollen Schmerz, und wollte nur eines: Ihn so schnell wie möglich wieder sehen."
Er dankt es ihr mit einem: "weißt was, gib mir an Tausender, dann schreib ich morgen, dass du der weibliche Bob Dylan der deutschen Volksmusik bist".
Ja mei – was sagt die "neue Helene Fischer" wohl dazu? Wenn das kein Fall für Jens Balzer ist.
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