Aus den Feuilletons

Seriöse Nachrichten in erschütternden Zeiten

Eine junge Frau schaut auf einen Computermonitor, auf dem einer Website mit Propaganda des IS zu sehen ist.
Eine junge Frau schaut auf einen Computermonitor, auf dem einer Website mit Propaganda des IS zu sehen ist. © picture alliance / dpa / Oliver Berg
Von Tobias Wenzel · 22.07.2016
ZDF-Moderator Claus Kleber macht sich in der "Süddeutschen" Gedanken über "seriöse Nachrichten in erschütternden Zeiten". Er spricht über die Berichterstattung zum Putschversuch in der Türkei - der Leser denkt automatisch an den Anschlag in München.
"Neil Young hat neulich erzählt, dass er nach längerer Pause wieder kifft. Hier wird man vom Zuhören high", schreibt Frank Junghänel in der BERLINER ZEITUNG über das Hauptstadtkonzert des Musikers. Mit dem Artikel eröffnet die Zeitung ihr Feuilleton. Eine völlig normale Sache im Sommer. Aber nun, nach dem Anschlag in München, der nach dem Redaktionsschluss passierte, könnte der launige Bericht über das friedliche Konzert manch einen Leser befremden. Genauso wie andere Artikel im Feuilleton vom Samstag. Ein Artikel allerdings wirkt sehr aktuell:
"Was tun, wenn’s brennt?" fragt Claus Kleber, der Moderator des ZDF-heute-journals in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG. Er macht sich "Gedanken über seriöse Nachrichten in erschütternden Zeiten". Es geht um die Berichterstattung zum Putschversuch in der Türkei. Aber beim Lesen denkt man automatisch darüber nach, ob die Berichterstattung über den Anschlag in München angemessen war.
ARD und ZDF seien in den sozialen Medien dafür kritisiert worden, sie hätten zu spät auf den Putschversuch in der Türkei reagiert, mit Worten wie: "Habt ihr sie noch alle?" oder "Was soll das – Uralt-Tatort und Klassikkonzert?" Solche Reaktionen versetzten ihm, Claus Kleber, dem leidenschaftlichen Nachrichtenmann, jedes Mal einen Stich. Ja, sagt er, es gebe Fälle, in denen eine sofortige Berichterstattung mit offenem Ende gerechtfertigt sei. Ein solcher Fall seien die Anschläge vom 11. September gewesen. Aber beim versuchten Putsch in der Türkei am späten Abend des vergangenen Freitags habe eine andere Situation vorgelegen: Die Bilder hätten da, in der verworrenen Lage, "nicht erklärt, worum es ging": "Was nützt mir ein Panzer, wenn ich nicht weiß, wohin und für wen er rollt? Was sagen mir Bilder einer Schlägerei, Töne von Schüssen oder der Blitz eines vorbeidonnernden Kampfjets?"
Man müsse, ganz im Sinne des Journalisten Peter von Zahn, den Geschehnissen einen "Rahmen" geben, sie also einordnen: "Es ist niemandem geholfen, wenn die Öffentlich-Rechtlichen sich mit ihren traditionell ausgestrahlten Programmen auf ein Rattenrennen mit Social Media einlassen. Oder Netzfunde unreflektiert weitergeben", schreibt Kleber. Man müsse eine "gut überlegte Balance zwischen nah dran/sofort" und dem durch "Abstand, Professionalität und kühlen Verstand" zu schaffenden "Bild im großen Rahmen" liefern. Man müsse also eben "nicht immer gleich pausenlos" senden, z.B. ungeprüfte Handyaufnahmen: "Denn dann steigt tatsächlich die Gefahr, dass in der Bildernot ständig wiederholte emotionale Szenen das Gefühl von Hilflosigkeit verstärken, das Terroristen verbreiten wollen", warnt Claus Kleber in der SZ. Wer die Berichterstattung von N-TV zum Anschlag in München verfolgt hat, kann seine Bedenken sofort nachempfinden.

Ein Platz für Sommerlochtiere

"Dieses Jahr nur C-Promis", schreibt, ebenfalls vor den Ereignissen in München, Martina Kollross in der TAZ über Tiere in der sommerlichen Berichterstattung. Es gebe einfach zu viele wichtige Nachrichten in diesem Sommer. Da fehle in den Zeitungen der Platz für die "Sommerlochtiere". So habe im letzten Jahr zum Beispiel der "Killerwels Kuno" angeblich einen Dackel gefressen und die Zeitungsseiten ordentlich mitgefüllt. Martina Kollross lässt sich aber von den wichtigen (und auch traurigen) Nachrichten dieser Tage nicht die Lust auf ihre kuriosen Tiergeschichten nehmen und berichtet einfach von einigen, unter anderem von einem Känguru, das vor einer Woche in Erfurt aus einem Gehege ausgebrochen sei. Mithilfe eines Hubschraubereinsatzes und eines Betäubungsschusses der Tierärztin sei das Känguru erst einmal wieder eingefangen worden. Aber: "Am Montagabend flüchtete es erneut aus seinem Gehege, ein Passant entdeckte es vor einem Motorradladen."
Hoffen wir also auf mehr Sommerlochtiere in den Zeitungen. Denn die bedeuten weniger schlimme Nachrichten.
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