Aus den Feuilletons

Schnapsidee auf der Zunge

Die Flasche steht auf einer Handfläche.
Erinnert geschmacklich an Parmesan: der Beuys-Schnaps © dpa / picture alliance / Matthias Balk
Von Gregor Sander · 23.07.2014
Die Umwandlung der Beuys'schen "Fettecke" in fünfzigprozentigen Schnaps ist Thema in den Feuilletons. Die "Welt" lässt den Vorwurf, die Künstler hätten sich an Beuys versündigt, nicht gelten. Die "FAZ" ruft mit Blick auf die Verkaufserlöse weiblicher Kunst auf: "Frauen, kauft Frauen!"
Manchmal kann sogar Literaturkritik peinlich sein und so nähert sich Ijoma Mangold in der Wochenzeitung DIE ZEIT einem Buch mit großer Vorsicht. Giulia Enders' "Darm mit Charme – Alles über ein unterschätztes Organ" übergibt ein Thema einem gesellschaftlichen Gespräch, für das wir sonst nur unsere Privatsprache haben.
Doch was soll Mangold machen? Der Ratgeber einer Medizinstudentin führt seit Monaten die Bestsellerlisten an und will besprochen werden: Giulia Enders erklärt alle Vorgänge rund um den Darm zu einem solchen biologischen Wunderwerk, dass die Vorstellung von Ekel angesichts solcher ingenieurhafter Präzisionsarbeit völlig unangemessen erscheinen muss. Ansonsten umschifft sie die Klippen des Peinlichen durch einen leicht gouvernantenhaften Ton aufgekratzter Unverkrampftheit: "Ein Rülps oder Pups klingt vielleicht ulkig, aber die Bewegung dabei sieht so filigran aus wie die einer Balletttänzerin", zitiert Mangold in der ZEIT die Autorin, um am Ende seinen Lesern doch noch einen praktischen Rat mit auf den Weg zu geben: Giulia Enders' Buch eignet sich nicht für Lesekreise.
Der Meister wäre begeistert
In der Tageszeitung DIE WELT berichtet Eckhard Fuhr darüber, was man aus den Werken von Joseph Beuys heute noch so alles machen kann. Bekanntlich landete ja eines seiner bekanntesten Kunstwerke "Die Fettecke" vor vielen Jahren in einem Abfalleimer der Düsseldorfer Kunstakademie. Die Fettecke, so Fuhr, rettete der Beuys-Schüler Johannes Stüttgen aus dem Abfalleimer und hütete sie fast 30 Jahre lang. Die Kunst schlummerte, ihr Stoff ranzte. Nun fand Stüttgen, dass es Zeit sei für einen Kunststoffwechsel und überließ die Fettecke seinen jüngeren Kollegen Markus Löffler und Andree Korpys, die unter Zuhilfenahme einer Apothekerdestille aus dem Fett achzigprozentigen Alkohol gewannen, den sie zu einem fünfzigprozentigen Schnaps verdünnten.
Auch die BERLINER ZEITUNG hat sich dieser Schnapsidee angenommen und lässt sie sich auf der Zunge zergehen:
"Der Geschmack erinnert ein bisschen an Parmesan", sagte der Bremer Kunstakademieprofessor Löffler. "So supertoll" schmecke es nicht. "Aber es geht ja darum, den Geschmack von Kunstgeschichte zu spüren." Die Witwe des Künstlers, Eva Beuys, zeigt sich gar nicht amüsiert und wird im selben Artikel mit den Worten zitiert: "Das sind dumme, unfein empfindende Menschen."
Wohingegen sich Eckhard Fuhr in der WELT sicher ist: Den Vorwurf allerdings, die frechen Kunstschnapsbrenner hätten sich an Erbe und Geist des Meisters versündigt, muss man zurückweisen. Das Gegenteil ist der Fall. Joseph Beuys hätte es großartig gefunden, dass nach Jahrzehnten der Reifung jetzt die Essenz aus der Fettkunst heraus destilliert wurde.
"Handeln statt meckern"
Einem ganz anderen Aspekt der Bildenden Kunst widmet sich Rose-Maria Gropp in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG. Warum schwächelt die Frau auf dem Kunstmarkt?, fragt sie und meint dies finanziell und nicht qualitativ. Der Internetinformationsdienst Artprice hat Verkaufserlöse von Künstlern und Künstlerinnen verglichen und Frau Gropp stellt fest: Da hält zum Beispiel, und das auch erst seit Anfang 2013, ein hübsches Gemälde der Impressionistin Berthe Morisot den globalen weiblichen Auktionsrekord – mit niedlichen 9,7 Millionen Dollar. Während ihre Impressionisten-Kollegen Claude Monet und Pierre-Auguste Renoir mehr als siebzig Millionen Dollar erlösen können.
Und auch in der Gegenwart sieht es nicht besser aus, wie in der FAZ zu lesen ist: Unterm Strich, so behauptet es die Artprice-Statistik, haben bis heute gerade mal 16 lebende Künstlerinnen in internationalen Auktionen die Grenze von einer müden Million Dollar überschritten. Ihnen stehen 195 lebende Künstler gegenüber. Da kann etwas nicht stimmen, stellt Rose-Maria Gropp fest und gibt am Ende ihren Leserinnen einen handfesten Rat: "Handeln statt meckern." Oder ganz konkret: "Frauen, kauft Frauen!"
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