Aus den Feuilletons

Saufen, leiden, schreiben

Der Schriftsteller Franz Xaver Kroetz, Aufnahme vom Februar 2015
Der Schriftsteller Franz Xaver Kroetz, Aufnahme vom Februar 2015 © picture alliance / dpa
Von Gregor Sander · 24.02.2016
Einer der meistgespielten Dramatiker dieses Landes feiert 70. Geburtstag: Franz Xaver Kroetz. Der inszeniert sich laut SZ gern als ausgebrannter Schreibjunkie, der aber – so die FAZ – dennoch ein erstklassiger Worterfinder ist. Kennen Sie "Huzelwurschteln"?
"Internationale Solidarität? Für die Menschen im Osten nur ein sozialistischer Propagandatrick."
Unter dieser abenteuerlichen Schlagzeile erklärt Adam Soboczynski den Lesern der Wochenzeitung DIE ZEIT die Ostmenschen. Praktischerweise gleich alle zusammen. Kennste einen, kennste alle.
"Die heutige Ausländerfeindlichkeit in Polen, Ungarn und Ostdeutschland ist dem antikommunistischen Widerstandsgeist verwandt. Mehr noch: Sie ist eine üble und vielleicht nur leicht verzerrte Fortschreibung desselben."
Experte Soboczynski, in Polen geboren und dann spät in den Westen ausgesiedelt, verfeinert diese steile These noch:
"Man wittert heute in der Begeisterung für internationale Solidarität, für Flüchtlinge, für veganes Essen und Conchita Wurst einen Wiederaufguss des Elitensprechs der kommunistischen Kader, von dem man sich befreit hatte."
Wollten sich denn alle Rassisten in Sachsen damals wirklich von ihren kommunistischen Kadern befreien? Ist das nicht alles doch etwas komplizierter? Vielleicht, aber dann kann man nicht so knackige Sätze schreiben wie Soboczynski:
"Der Internationalismus überzeugte die Ostdeutschen nicht. Auch nicht die Polen und auch nicht die Ungarn. Die Lebensbezüge waren klein und eng, und die Züge im Land fuhren schneckenlangsam."

Der Dichter als armes Schwein

Wo wir nun so schön im Klischeetopf sitzen, können wir hier ja vielleicht auch Geburtstag feiern. Weil DER Autor, der vielleicht alle Schriftstellerklischees auf einmal erfüllt, am Donnerstag seinen 70. Geburtstag feiert und Christine Dössel von der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG gratuliert.
"Franz Xaver Kroetz hat Geschirr zerschlagen, ganze Kücheneinrichtungen zerdeppert. Und viel gesoffen, oft nächtelang. Bier war sein Elixier. Saufen, leiden, schreiben – der Kroetz’sche Lebensdreiklang. Der Dichter als armes Schwein, als Wrack, als ausgebrannter Schreib-Junkie, dem zu guter Letzt auch noch Alter und Verfall zusetzen, so beschreibt sich Kroetz gerne, in einer quälerischen Mischung aus Koketterie, Selbstmitleid und Selbsthass. "
Von so einem Haudegen kann man dann natürlich selbst die Tagebuchaufzeichnungen der Tochter in der SZ lesen:
"Wir sind verzweifelt, Papa kann nicht schreiben."
Aber wenn er schreiben kann, der Franz Xaver Kroetz, dann eben richtig, meint auch Hubert Spiegel in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG über einen der meistgespielten Dramatiker des Landes:
"Der Kroetz kennt Wörter, die kennt noch nicht einmal das Internet. 'Huzelwurschteln' ist ein solches Wort. Es hat existiert, bevor es Suchmaschinen gab, und es wird vielleicht noch existieren, nachdem der letzte Suchbefehl verklungen ist."
Peter Lustig sitzt im Jahr 2002 bastelnd vor dem berühmten Bauwagen der Kindersendung "Löwenzahn".
Peter Lustig sitzt im Jahr 2002 bastelnd vor dem berühmten Bauwagen der Kindersendung "Löwenzahn".© imago / Sven Simon

Selbst die Lehrerkinder durften fernsehen

Jetzt ist die Versuchung natürlich groß das Huzelwurschteln in eine Suchmaschine einzugeben, aber dann bliebe keine Zeit mehr, Peter Lustig zu betrauern, der am Dienstag 78-jährig gestorben ist. Jörg Thomann in der FAZ:
"An diesem Peter Lustig war alles echt: seine Neugierde, seine Bastelfreude, die Erfindungen gebar wie die Staubsauger-Orgel oder die Orangen-Keks-Sonnenuhr, der schwarze Walrossbart, der sich im Laufe der Jahre zum gestutzten weißen Vollbart wandelte."
Auch Jürn Kruse von der TAZ würdigt die Löwenzahnlegende.
"Er versöhnte das Bildungsbürgertum mit dem Medium Fernsehen. Zumindest für eine halbe Stunde. Selbst die Lehrerkinder durften fernsehen, wenn 'Löwenzahn' lief. Ich weiß das, ich spreche da aus Erfahrung."
Für Hans Hoff von der SZ ist Peter Lustig schon jetzt unvergesslich.
"Wie soll man aber auch einen vergessen, der immer wieder sagte, dass man abschalten solle, was man natürlich nie tat. Und dann kam er in der nächsten Woche wieder und war nicht böse, dass man das mit dem Abschalten vergessen hatte. Überhaupt war Peter Lustig einer der wenigen Erwachsenen, die nie böse wurden. Er war immer so, wie das sein Name vorschrieb."
Peter Lustig hieß übrigens wirklich Peter Lustig. Das ist für einen Kinderfernsehmoderator natürlich nah am Klischee, aber manchmal ist das Leben eben genau so.
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