Aus den Feuilletons

Regierung muss Traumata bei Geflüchteten bedenken

Flüchtlinge gehen am 21.11.2015 an der deutsch-österreichischen Grenze nahe Wegscheid (Bayern) während eines Schneeschauers nach Deutschland.
Jeden Tag kommen Flüchtlinge nach Deutschland. © dpa / picture alliance / Armin Weigel
Von Adelheid Wedel · 11.12.2015
Der Psychiater Vamik Volkan spricht in der "TAZ" von "Seelenmord" aufgrund großer Traumata bei Flüchtlingen. Auch wenn es zunächst darum gehe, die vordergründigen Probleme zu lösen, müsse die Regierung auch die psychologische Disposition der flüchtenden Menschen verstehen.
"Wenn alles gut läuft bei der Migration, wirst du bikulturell, sofern das neue Land dich akzeptiert", sagt der Psychoanalytiker Vamik Volkan in der Tageszeitung TAZ.

Er setzt fort: "Akzeptiert dich das Land nicht, wird es sehr schwer. Allein der Trauerprozess, den man durchlebt, wenn man sein Land verlässt, geht schon sehr tief."

Aus seiner Beobachtung der Flüchtlingsproblematik leitet er neue Wege in der Flüchtlingsarbeit ab, zum Beispiel gibt er zu bedenken:
"Wenn man ein Land verlässt – freiwillig oder gezwungenermaßen – ist es entscheidend, ob und wie man den Verlust betrauern kann. Man verliert Gerüche, man verliert Nahrungsmittel, man verliert Familienangehörige, man verliert das Land und seine Identität."

Zwei Arten zu sterben

Im Interview unterstreicht Volkan: "Auch wenn es im Moment so ist, dass die vordergründigen Probleme der Flüchtenden gelöst werden müssen, muss man doch die psychologische Disposition der Flüchtlinge im Hinterkopf behalten."
Es sei also wichtig, so der US-amerikanische Psychiater, Projekttherapeut, zudem Friedens- und Konfliktforscher, "dass die Regierung die psychologische Dimension von Flucht versteht". Es gibt zwei Arten zu sterben, führt er weiter aus:

"Bei der ersten nimmt jemand ein Gewehr und tötet dich. Bei der zweiten tötet er deine Seele. Es heißt 'Seelenmord'. Bei einigen der Leute, die nach Deutschland kommen, ist das Trauma so groß, dass ihre Seelen ermordet wurden."

"Jedes Problem lässt sich eine Weile verdrängen"

Unter der Überschrift "Kunst der Verdrängung" druckt die Tageszeitung DIE WELT einen Essay von Henryk M. Broder. "So sind Menschen. Um leben, vor allem weiterleben zu können, verdrängen sie das, was sie erlebt haben, was ihnen angetan wurde", schreibt Broder.
Und weiter: "Wir verdrängen nicht nur das, was hinter uns liegt, sondern auch das, was uns bevorsteht."
Dann macht er sich Gedanken darüber, wie Verdrängung in einer aufgeklärten, gut vernetzten, permissiven und toleranten Gesellschaft funktioniert. Das könne man "am Umgang mit Gefahren erkennen, realen wie fiktiven", so Broder. Als eine Form der Verdrängung geißelt er die Verharmlosung. Das beobachte er bei der politisch korrekten Unterscheidung zwischen dem Islam und dem Islamismus, und wettert los:
"Als ob es das eine ohne das andere geben könnte. Als ob der Islamismus seine Wurzeln nicht im real existierenden Islam hätte. Ob es einem nun passt oder nicht: Die Islamisten sind nun mal keine verwirrten Christen, Juden, Atheisten, Buddhisten, Hindus usw., sondern Muslime, also Anhänger des Islam."
Den Islamismus nennt Broder eine der vielen Facetten des Islam – jung, kräftig, rücksichtslos und deswegen für schwache Gemüter besonders anziehend.
Als Fazit seines Essays lässt er uns wissen: "Jedes Problem lässt sich eine Weile verdrängen... gegen Terrorangst hilft die Überzeugung, dass die Ursachen des Terrors bei uns liegen und dass der Terror aufhören wird, wenn wir unser Verhalten ändern."

Michael Moore stiehlt Europas Ideen

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG rezensiert den neuen Film von Michel Moore "Where to invade next?". "Der Regisseur und Provokateur ist zurück", so der Autor in der SZ, "er hat eine Doku über das Paradies Europa und den Höllenschlund USA gedreht." Tatsächlich vergleicht Moore seine Beobachtungen in verschiedenen europäischen Ländern mit den Zuständen in den USA und fragt: Warum haben wir das nicht?
Oder wie Sacha Batthyany schreibt: "Moore marschiert in Europa ein, um dort die besten Ideen zu stehlen und sie in die USA zu bringen."

Frank Sinatra: der Schauspieler unter den Sängern

Zum 100. Geburtstag von Frank Sinatra, das wäre der 12. Dezember, widmen die uns vorliegenden Feuilletons dem Sänger Elogen. "Mythos und Mafia", titelt die BERLINER ZEITUNG, die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG nennt ihn "den Schauspieler unter den Sängern" und die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG formuliert
"Sinatras Karriere ist ein Spiegelbild Amerikas im zwanzigsten Jahrhundert" mit dem neckischen Zusatz "seine blauen Augen machen uns immer noch sentimental".
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