Aus den Feuilletons

"Polina Gagarina war die Beste"

Die Sängerin Polina Gagarina repräsentierte Russland beim 60. Eurovision Song Contest 2015 in Wien.
Nah am Wasser gebaut: Die Sängerin Polina Gagarina repräsentierte Russland beim 60. Eurovision Song Contest. © picture alliance / dpa / Julian Stratenschulte
Von Klaus Pokatzky · 25.05.2015
Aus Deutschland bekam Polina Gagarina beim Eurovision Song Contest viele Stimmen. "Sie war das Russland, das es nicht gibt, ein Appell an Vielfalt, Frieden und Liebe zur Verschiedenheit", kommentiert die "TAZ" über die Zweite beim Sängerwettstreit in Wien.
"Es ist still, alles schweigt." Lesen wir in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG."Der Saal hält förmlich den Atem an."Sind wir etwa beim Eurovision Song Contest? "Wie immer sollten Riten und strenge Regeln", schreibt Ueli Bernays,"dafür sorgen, dass der Improvisator Neues und Einmaliges schaffe. "Nämlich: "Handy ausschalten! Fotografieren verboten! Husten verboten! Atmen verboten?" Und da wissen wir: Beim Eurovision Song Contest sind wir hier garantiert nicht.
"Keith Jarrett", ist zum selben Konzert in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG zu erfahren, "war selten so aufgeräumt und unbeschwert wie hier zu erleben", nämlich im schönen schweizerischen Luzern – eines von zwei Konzerten, mit denen er seinen 70. Geburtstag vor gut zwei Wochen feiert.
"Mit zunehmendem Alter eignet dem ewigen Jüngling nun etwas pflanzenhaft Fragiles – okay, wenn' sein muss, ist er auch ein Derwisch, ein kleiner Teufel oder ein Gott, jedenfalls ein sterblicher", schreibt Volker Breidecker in der SÜDDEUTSCHEN zu einer unsterblichen Musik.
Die Stimmen beim ESC: "Big" und "riesig"
Und damit von Luzern nach Wien, zu musikalischen Darbietungen mit flotter Verfallsdauer.
"Als ich mich auf den Proben und Pressekonferenzen vor der diesjährigen ESC-Veranstaltung herumtrieb, bemerkte ich, dass viele der Künstler hier recht klein waren", steht in der SÜDDEUTSCHEN, "eine skandinavische Sängerin schien nicht einmal groß genug zu sein für Fahrgeschäfte auf dem Rummel –, aber ihre Stimmen sind unvermeidlich: big, riesig."
Das hat Pat Blashill beobachtet und gehört, Musikjournalist aus Texas, der in Wien lebt:
"Sie war das Russland, das es nicht gibt, ein Appell an Vielfalt, Frieden und Liebe zur Verschiedenheit. Ohne Frage: Polina Gagarina war die Beste von allen."
Der Schwede Mans Zelmerlöw gewann den 60. Eurovision Song Contest 2015 in Wien.
Im Siegertaumel: Der Schwede Mans Zelmerlöw. © picture alliance / dpa / Julian Stratenschulte
Måns Zelmerlöws Haltung zur Homosexualtität
So die Tageszeitung TAZ zur Zweiten beim ESC, dem 60. Eurovision Song Contest. "Ein Sänger ohne Kanten, allen wohl und niemand weh" ist für den TAZ-Autor Jan Feddersen der Sieger des Sangeswettbewerbs Måns Zelmerlöw aus Schweden.
"Immerhin hat er der eurovisionären (sehr überwiegend queeren) Community den Dienst erwiesen, im kommenden Jahr nicht nach Sankt Petersburg oder Sotschi zu müssen und sich dort womöglich Strafverfolgungen als Homosexueller auszusetzen."
Und was schreibt Pat Blashillin in der SÜDDEUTSCHEN zu dem schwedischen Gewinner Zelmerlöw?
"Im schwedischen TV sagte er einmal, dass er Homosexualität für abnormal halte."
Bleiben wir beim Thema. Stellen Sie sich vor, Sie haben einen schwulen Bruder und der heiratet seinen Freund – würden Sie Ihre beiden kleinen Töchter, acht und sechs Jahre, alt dahin mitnehmen?
"Ihre Töchter würden durcheinandergebracht."
Das stand jedenfalls in der Ratgeberkolumne der Soziologin Barbara Eggert im Bielefelder WESTFALEN-BLATT als Rat an einen "Familienvater, dem unwohl bei dem Gedanken war, seine Töchter mit zur Hochzeit seines schwulen Bruders zu nehmen", wie in der Tageszeitung DIE WELT steht.
"Schlampe." "Sollte man verbrennen."
Das war daraufhin in den asozialen Netzwerken zu lesen über die soziologische Ratgeberin, die denn auch von der Redaktion gefeuert wurde – welche allerdings den umstrittenen Text redigiert und gekürzt hatte und somit Mitverantwortung trägt.
"Eggert hat nichts Menschenverachtendes von sich gegeben, sondern höchstens einen sehr konservativen, vielleicht etwas ignoranten Rat erteilt", befindet Ronja von Rönnein der WELT.
"Die Hetze auf Eggert wurde vor allem von Menschen vorangetrieben, die sich theoretisch für Toleranz einsetzen."
Und: "Meist sitzen die Verfasser von Tweets wie 'Kündigen! Sofort!' ja nicht wutschnaubend vor ihrem MacBook, sondern stehen mit dem Handy in der Hand vor der Musikschule und warten darauf, dass ihr Elias aus dem Flötenunterricht kommt."
Wir empfehlen statt der Flöte das Klavier und Keith Jarrett samt Regieanweisung:
"Handy ausschalten!"
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