Aus den Feuilletons

Oh, grausames Sommerloch!

Fliegendes Spaghettimonster - Fresko in Anlehnung an Michaelangelos "Die Erschaffung Adams".
Erfolg des Bayerischen Rundfunks gegen das "Spaghettimonster" - vorerst gibt es keine Befreiung vom Rundfunkbeitrag für Anhänger der "Pastafari"-Religion. © imago/ZUMA Press
Von Paul Stänner · 22.07.2015
Das ZDF will die Sommerzeit mit "ganz anderen Talkgästen" füllen, bietet uns aber das Übliche in der B-Version an, schreibt die "Berliner Zeitung". Die "taz" skizziert den seltsamen Kampf des Spaghettimonsters gegen die Rundfunkgebühr und die "Zeit" sorgt sich um die Briten.
Es ist Sommer. Menschen verreisen und hinterlassen Leerstellen, das sind die so genannten Sommerlöcher. Das Fernsehen füllt sie mit Vorsätzen und Ankündigungen: Das ZDF zum Beispiel – das erklärt uns Torsten Wahl in der BERLINER ZEITUNG – wird in der Illner-losen Zeit eine Talkshow senden, aber eben anders. Es sollen Themen zur Sprache kommen, die – so referiert er - "auf der Straße und im Bekanntenkreis diskutiert werden", was also, denken wir im Umkehrschluss, im ZDF sonst nicht der Fall ist. Die Anstalt will im Loch nicht die "üblichen Talk-Politiker" einladen, sondern ganz andere Leute.
Aber dann findet Wahl in den Programmen des ZDF und seiner Konkurrenten doch wieder nur die altbekannten Namen von Politikern, wenn auch aus der B-Klasse, und vor allem die von Journalisten:
"Das Fernsehen lädt sich selber ein – in Ermangelung anderer Gäste werden die Kollegen verpflichtet."
Weihung mit Nudelwasser reicht nicht
Dass man dafür keine Gebühren zahlen möchte, wäre verständlich. Die Tageszeitung TAZ berichtet vom Kampf der "Kirche vom Fliegenden Spaghettimonster" gegen die Rundfunkgebühr. Im tiefkatholischen Sendegebiet des Bayerischen Rundfunks hat ein Aktivist für Geistesfreiheit sein Büro mit Nudelwasser geweiht und stellt nun an den BR das Ansinnen, der Sender möge das Büro als – so der Terminus - "Betriebsstätte, die gottesdienstlichen Zwecken dient", anerkennen und von der Rundfunkgebühr zu befreien. Der BR besteht aber auf einem "religionstypischen Widmungsakt" und wird nun vor dem Verwaltungsgericht München erklären müssen, was er darunter versteht.
Doctorow, der literarische Historiker Amerikas
Viel Raum widmen die Feuilletons dem Tod des 84-jährigen Schriftstellers E.L. Doctorow. Er war "der literarische Historiker Amerikas", schreibt Sabine Vogel in der BERLINER ZEITUNG. Dagegen postuliert Jan Wilm in der FAZ:
"Er mochte es nicht, ein Autor von historischen Romanen genannt zu werden."
Während in der WELT Wieland Freund daran erinnert, dass Doctorow, der in seinen Romanen eine Abfolge von historischen Epochen Amerikas beschrieb, zwischen Fiktion und Nicht-Fiktion keinen Unterschied machte – für ihn gab es nur das Erzählen. Und das war immer wieder neu:
"Doctorow das war eine seiner großen Tugenden, hat nichts von sich gelernt."
Queen of Krauts?
Der Deutsche kennt das Problem der eigenen und fremden Wahrnehmung. Peter Kümmel schreibt in der ZEIT:
"Es kann sein, dass er als guter Europäer einschläft und als Nazi wieder aufwacht. Je nach politischer Großwetterlage wird er von seinen Nachbarn mal mit Zutrauen, mal mit Abscheu betrachtet".
Jetzt aber hätten die Briten ein ähnliches Problem: Sie mussten feststellen, dass ihre Queen als kleines Mädchen den Arm zum Hitlergruß erhoben hatte und sie "erleben einen Moment deutscher Zerrissenheit". Ihr Hochadel sei ohnehin sehr deutsch und so fragten sich die Briten, ob sie nicht eigentlich auch "Krauts" seien. Und stünden plötzlich sich selbst mit Misstrauen gegenüber.
Wir wirklichen "Krauts", so tröstet uns Kümmel, gewännen im gleichen Moment überraschend an Liebreiz durch die Unbeholfenheit unserer Kanzlerin, wie sie ein kleines Mädchen zu trösten versuchte – Kümmel schreibt:
"Die Untröstlichkeit, mit der Merkel das Unglück des Mädchens erfasst ('och Gott'), wird ihr als etwas irritierend Undeutsches gutgeschrieben: als Warmherzigkeit."
Das Glück des Zimmerreisenden
Hängt die Messlatte nur tief genug, dann können wir uns darüber freuen, in diesem Sommerloch als die guten Monster aufzutauchen – zumindest im Ärmelkanal und im Loch Ness.
Wem davor graut, im Sommerloch zu verreisen wie alle anderen, der sollte sich die NZZ besorgen, auf die Couch surfen und den Artikel von Bernd Noack lesen, in dem er die vielen Literaten zu Wort kommen lässt, die am liebsten im eigenen Zimmer verreist sind:
"Der Zimmerreisende kehrt mit jedem Schritt, den er zwischen Tür und Fenster, Bett und Schreibtisch, Gemälde und Bücherwand tut, zu sich selber zurück. Er entfernt sich keinen Meter von seinem Ort und entdeckt doch in jedem Augenblick das Neue in den Dingen und in seinem Inneren."
In diesem Sinne: Einen angenehmen Urlaub wünscht Ihr Feuilleton-Vor-Leser.
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