Aus den Feuilletons

Noch schnell ein paar Filme vor der Berlinale

Blick auf ein Lager mit Filmrollen
Blick auf ein Lager mit Filmrollen © imago / David Heerde
Von Hans von Trotha · 07.02.2017
Zehn Tage Berlinale stehen an und damit zehn Tage, in denen das Festival die Feuilletons der deutschen Zeitungen bestimmt. Vielleicht haben sich die Blätter darum kurz vorher noch einmal auf Filmthemen geeinigt, die in den nächsten Tagen vom Berlinale-Tsunami verschlungen würden.
Die Metapher, ein Ereignis werfe "seine Schatten voraus", ist ein sogenanntes No Go, weil abgedroschen. Aber manchmal passt sie einfach. Jetzt zum Beispiel, wo sich die Stadt Berlin mit einem Flughafenstreik und einem Kälteeinbruch auf die Berlinale einstimmt und die Feuilletons schnell noch Film-Themen unterbringen, die ab Donnerstag von der Festivallawine begraben würden. Mit der Wahl dieser Themen charakterisieren die Feuilletons sich und ihr Wesen selbst.
Während der TAGESSPIEGEL den Berlinale-Jury-Präsidenten Paul Verhoeven interviewt (Zitat: "Ich hoffe auf kontroverse Filme"), weist die TAZ darauf hin, dass "parallel zu Deutschlands größtem Filmfest… zum fünften Mal" die "Boddinale" stattfindet, "die kleine, dreckige Schwester der Berlinale" in der Boddinstraße: "No- und Low-Budget in Neukölln”. Und die WELT widmet ihren Aufmacher anlässlich einer Stuttgarter Ausstellung dem schwäbischen Juden Carl Laemmle, der in die USA auswanderte, dort Hollywood "erfand", wie es heißt, und sich mit Hitlers Zensur arrangierte, was Hanns-Georg Rodek Parallelen zur Gegenwart ziehen lässt. Damals ging es um den Film "Im Westen nichts Neues": "Im Austausch dafür, dass der Film in Deutschland doch noch zugelassen wurde, stimmte (Laemmle) diversen Schnitten zu. … Laemmle, der Geschäftsmann, … steckte in der Falle und mit ihm ganz Hollywood. Über diesen Hebel sorgten die Nazis dafür, dass dort bis zum nächsten Krieg kein einziger auch nur annähernd deutschkritischer Film mehr entstehen konnte. Das Gleiche wiederholt sich momentan: Chinakritische Filme sind von Hollywoodstudios nicht mehr zu erwarten."

Die Süddeutsche blickt genauer auf die Migration an den US-Grenzen

In der SÜDDEUTSCHEN berichtet Lilla Puskàs von einer Reihe von Filmen, "die man in letzter Zeit in Mexiko sehen konnte, die das Augenmerk auf ein international wenig beachtetes Phänomen lenken. 'Menschen sickern über unsere südliche Grenze ein', dröhnte Donald Trump im Wahlkampf… Tatsächlich aber verläuft die größere Migrationsbewegung längst in umgekehrter Richtung … vor allem aus wirtschaftlichen Gründen… Diesen neuen Migranten gibt das Kino nun erstmals ein Gesicht. … Das … verbindende Thema dieser Filme ist die schmerzhafte Zerrissenheit der Familien – ein Thema, das jede neue Schlagzeile aus Trumps Amerika nur schärfer ins Bewusstsein rückt."
Trumps Amerika: In der NZZ meint der Politologe Jan Werner Müller: "Man kann davon ausgehen: Trump weiss, dass er lügt; seine Leute wissen auch, dass sie lügen; und die Medien, die über die Sache berichten, wissen es sowieso. Dann wird die Wiederholung einer Lüge von Trump-Untergebenen zum Loyalitätsbeweis – und zur Machtdemonstration des Präsidenten."

Nikolaus Piper berichtet in der SÜDDEUTSCHEN, dass "die Lektüre der 'New York Times' … so spannend ist wie seit langem nicht", weil sie sich als "Lügendetektor" betätigt. Und die TAZ berichtet: "17 französische Nachrichtenredaktionen schließen sich gegen Falschmeldungen zusammen. … Ziel sei es, … 'kollektives Wissen zu nutzen, um Falschinformationen zu identifizieren', insbesondere im Vorfeld der französischen Präsidentschaftswahlen."

Die Medien, der Konservative Fillon und seine ganz besonderen Verbindungen

Glaubt man Jürg Altwegg, ist das gar nicht mehr nötig. Er erkennt im französischen Vorwahlkampf "keine 'Fake-News'… Die Medien werden ihrer Verantwortung … erfreulich gerecht", so Altwegg in der FAZ: "Es gibt keinen Verdruss an der Politik nur an den Politikern. Einer nach dem andern wird erledigt. Die Franzosen frönen ihrer politischen Leidenschaft und der Lust am Königsmord. Die Fünfte Republik frisst ihre Politiker" – aktuell den Konservativen Fillon. "Über die 100 000 Euro, die seine Frau als Honorar für zwei Kurzrezensionen in der 'Revue des Deux Mondes' bekam, schweigt er sich aus", berichtet Altwegg. "Das Blatt gehört einem befreundeten Milliardär … . Es ist die älteste Kulturzeitschrift, in ihr hatte Baudelaire seine 'Blumen des Bösen' veröffentlicht. … Das Februar-März-Heft ist eine Hymne auf Fillon."
Einen "erloschene(n) Leuchtturm" nennt die NZZ deswegen "Frankreichs dienstälteste Intellektuellenzeitschrift" – Fillon statt Baudelaire … . Da hat es doch etwas Beruhigendes, wenn unsere Feuilletons den Erwartungen, die wir an sie haben, einfach gerecht werden, auch wenn ein Ereignis wie die Berlinale seine Schatten vorauswirft.
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