Aus den Feuilletons

Nicht mehr viele Heino-Fans

Kein Nazi vielleicht, wer weiß das schon, aber manche titulieren Heino auch ganz anders...
Kein Nazi vielleicht, wer weiß das schon, aber manche titulieren Heino auch ganz anders... © dpa / picture alliance / Horst Ossinger
Von Arno Orzessek · 24.04.2014
Die "TAZ" nimmt Heino im Streit mit Jan Delay in Schutz: Er sei kein Nazi, man sollte sich doch einen anderen Namen für den "Schwarzbraun ist die Haselnuss"-Barden ausdenken. Bonbonbunt geht es hingegen in der "Welt" zu - ausgelöst durch die CD "Open Your Colouring Book".
Zunächst ein Service für Liebhaber bonbonfarbener Lebensgefühle.
"Hasch mich, sing mich, ich bin der Frühling!" juchzt die Tageszeitung DIE WELT.
"Jetzt aber raus aus den Betten! Die Sonne lacht. Es wird ein wunderschöner Tag. Das Glück der Erde liegt uns zu Füßen (...). Man möchte jubelnd unter einem strahlend blauen Himmel über eine grüne Wiese laufen und die ganze Welt umarmen",
frohlockt Frank Schmiechen, als hätte er eine Menge Pillen eingeworfen.
Tatsächlich hat der WELT-Autor die CD "Open Your Colouring Book" von David Scott und den Pearlfishers gehört – und resümiert: "Hier gibt es den puren Stoff."
Mag sein, dass Heino bei seinen Hörern ähnliches Seelenrosa verursacht wie die Pearlfishers bei Schmiechen.
Das hinderte den Hip-Hopper, Funk- und Rockmusiker Jan Delay indessen nicht daran, Heino als "Nazi" zu verunglimpfen – wogegen dieser klagt.
In der TAGESZEITUNG schlägt sich Uli Hannemann auf Heinos Seite:
"Ein Nazi ist ein Nationalsozialist. Zugleich (!) ein Deutschnationaler, ein Hitler-Verehrer, ein Anhänger eine sehr spezifischen, auf ‚rassischen' und ‚völkischen Kriterien fußenden (...) Spielart des Faschismus. Das trifft auf den so jeweils Titulierten viel seltener zu als angenommen und behauptet. (...) Heino ist kein Nazi."
Allerdings ist Hannemann auch kein Heino-Fan. Darum macht er Vorschläge, wie Jan Delay den alten "Schwarzbraun ist die Haselnuss"-Barden sonst so titulieren könnte. Hannemans Favorit steht in der Überschrift der Kolumne: "Warum nicht Arschloch?"
Die Angst vor dem V-Wort
Andere Sorgen treiben Gunman Xuman um. Der senegalesische Hip-Hop-Star äußert in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG Verständnis für die afrikanischen Bootsflüchtlinge, obwohl er früher versucht hat, sie von der Überfahrt abzuhalten.
"(Aber) wie will man jemanden zum Hierbleiben überreden, wenn er tagtäglich miterlebt, wie korrupte Politiker sich die grössten Paläste bauen, ihm aber nicht einmal die Hoffnung bleibt, genug Geld zu verdienen, um jemals eine Heirat oder gar eine eigene Familie zu finanzieren? Hoffnung – darum dreht sich doch alles."
Soviel zu einigen Facetten der Musik-Szene. Kümmern wir uns mit der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG nun um "Die Angst vor dem V-Wort"... Gemeint ist: V wie Völkermord.
Dass die Massaker an den Armenier in den letzten Tagen des Osmanischen Reichs nichts anderes als ein Genozid waren, gilt heute in vielen Teilen der Welt als Faktum. Nicht jedoch in der Türkei – die deshalb oft gescholten wird.
Wie die SZ-Autoren Christiane Schlözer und Stefan Ulrich berichten, geht dem türkischen Regierungschef Erdogan das V-Wort zwar immer noch nicht über die Lippen. Gleichwohl hat er den Enkeln der einst getöteten Armenier sein "Beileid" ausgesprochen... Laut SZ "ein Schritt nach vorn". Die "Angst vor dem V-Wort" aber, die bleibt.
Schwer wie eine metallene Sachertorte
"Fragt man (so Schlözer und Ulrich), warum sich die Türkei so fürchtet vor dem V-Wort, dann ist die Antwort nicht eindeutig. Die Sorge, auf das Land könnten Entschädigungsforderungen in unbekannter Höhe warten, dürfte aber keine geringe Rolle spielen. Vertreter der armenischen Diaspora in Paris betonten (...) (jetzt) auch, eine Anerkennung des Genozids sei nicht genug. Die Türkei müsse ‚finanzielle und territoriale' Reparationen leisten."
Unterdessen tragen die Feuilletons Trauer. "Der Meister der Formen", wie die SZ den Wiener Architekten Hans Hollein nennt, ist tot. In der FAZ unterstreicht Niklas Maak, dass für den jüngeren Hollein "in einer Fassade gar nicht genug Erker, Vorsprünge, Kurven, Schnitte, Brücken, bläuliche Spiegelungen, Farben und Details, Zitate und Verweise untergebracht werden (...) (konnten)."
"Was damals als Befreiung von der repetitiven Ödnis einer kargen Nachkriegsmoderne gefeiert wurde, lag späteren Generationen (...) so schwer wie eine metallene Sachertorte im Magen."
Der NZZ bleibt Hollein trotzdem als "Genialer Formenzauberer" in Erinnerung.
Gestorben ist auch Tadeusz Rózewicz. In der SZ feiert Jens Bisky den polnischen Dichter für einige "unvergessliche Verse" – darunter unsere heutigen Schlussworte.
"Wie gut Ich kann ausruhen / im Schatten des Baumes / ich dachte Bäume / geben nie wieder Schatten. / Wie gut Ich bin bei dir / da schlägt mein Herz / und ich dachte der Mensch / hat kein Herz mehr."
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