Aus den Feuilletons

Navid Kermani fehlen die guten alten Buchkritiken

Der Schriftsteller Navid Kermani.
Der Schriftsteller Navid Kermani. © picture alliance / dpa / Thomas Frey
Von Tobias Wenzel  · 21.09.2016
Literaturkritiker und Autoren haben es auch nicht immer leicht miteinander. Navid Kermani hat einen Liebesroman geschrieben. Die "Zeit"-Autorin findet den aber langweilig. Kermani fragt sich nun, warum sie extra nach Köln gekommen ist, um ihm das zu sagen.
"Ist Trump ein Punk?", fragt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG. Und T. C. Boyle, der sich selbst als Punk bezeichnet, antwortet: "Absolut." Und kurz darauf ergänzt er: "Aber ich möchte keinen Punk als Präsidenten." Es sind nur noch knapp sechs Wochen bis zu den US-Präsidentschaftswahlen.
Da hatte die SZ eine Idee zu einer kleinen Reihe. Die Zeitung befragt vier amerikanische Schriftsteller über ihr Land. Und T. C. Boyle macht nun den Anfang. Sasha Batthyany hat ihn in seiner Hütte in einem kalifornischen Nationalpark getroffen. Trump sei ein "rechter Demagoge, widerwärtig und aggressiv", sagt Boyle und prophezeit, Trump werde verlieren:
"Es wird eine historische Niederlage. Wobei ich zugeben muss, dass ich 2000 gesagt habe, Bush werde gegen Gore verlieren. Ich hatte mich leider geirrt."
Klaus Harpprecht
Klaus Harpprecht am 26.01.2015 während der Aufzeichnung der RBB-Talksendung "Thadeusz" in Berlin.© dpa/Foto: Karlheinz Schindler

Nachruf auf Klaus Harpprecht

Wie würde wohl der ehemalige Amerika-Korrespondenz des ZDF Klaus Harpprecht über das Ergebnis der Wahl am 8. November schreiben? "Würde", wenn er noch lebte…
Denn der Publizist ist nun im Alter von 89 Jahren gestorben. Mit ihm gehe die "Tradition des feuilletonistischen Impressionismus zu Ende", schreibt Marko Martin in der WELT,
"anspielungsreiches Anstupsen, fein ziselierte Bosheit statt blechernes Pathos". (...) "Harpprecht war ein leidenschaftlicher Mensch, einer, der wie ein Berserker arbeiten konnte, schier ohne Rast, nur ein wenig auf und ab wippend im Schaukelstuhl seines Arbeitszimmers",
erinnert sich Heribert Prantl in der SZ.
"Journalismus, so hat er einmal seinen Studenten gesagt, 'das ist die Chance, viele Leben zu leben'."

Google bringt App "Allo" auf den Markt

Wenn wir doch nur unser eigenes Leben selbst leben würden, wäre Adrian Lobe von der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG vermutlich schon beruhigt. Lobe sorgt sich aber um die Selbstbestimmung der Menschen. "Wie autonome Fahrzeuge will Google auch unsere Gedankenwelt automatisieren", schreibt er und spielt damit auf "Allo" an, eine neue App für den Google-Messenger-Dienst. Und diese App funktioniert so:
"Wer sie nutzt, aktiviert einen Algorithmus, der Fotos im Chatverlauf analysiert und passende Phrasen für typische Situationen vorschlägt", erklärt Lobe. "Sendet jemand Bilder seiner Abschlussfeier, offeriert Google als Textbausteine für die Antwort: ´Gratulation!` oder: ´Du hast es geschafft.`"
Die App, eine Art digitale Nanny, entmündige uns, mache uns infantiler, verführe uns zum Versenden von Klischees. Adrian Lobe paraphrasiert in der FAZ zwei Wissenschaftler wie folgt:

"Die Frage sei nicht, ob Maschinen irgendwann so menschenähnlich werden, dass wir sie für menschlich halten, sondern ob der Mensch maschinenähnlich und programmierbar wird."

Navid Kermani hat einen Liebesroman geschrieben

Vielleicht wäre es Navid Kermani lieber gewesen, von "Allo" zu seinem neuen Roman "Sozusagen Paris" interviewt zu werden anstatt von Iris Radisch.
"Ich halte Sie für einen intelligenten Schriftsteller, und dann kommen Sie mit so was",
sagt sie in der ZEIT. Diesen Roman über die Liebe findet die Literaturkritikerin "langweilig", schablonenhaft, selbstreferentiell.
"Es tut mir leid, dass Sie in Ihrem Beruf Bücher lesen müssen, die Sie nicht interessieren. Das muss ermüdend sein",
sagt Kermani, betont dann, er möchte nicht sein eigenes Buch verteidigen. Das sei nicht seine Aufgabe. Und dann verteidigt er es doch und entschuldigt sich dafür.
"Ich verstehe auch nicht, wieso Sie mit diesen Autorenporträts kommen in Ihren Literaturbeilagen – statt wie früher das Buch zu besprechen, um das es geht. (…) Stattdessen nehmen Sie den ganzen Weg nach Köln auf sich, nur um Ihren Lesern und mir zu sagen, dass Sie das Buch schrecklich finden – na toll."
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