Aus den Feuilletons

Nach vergessenen Perlen tauchen

Ein Mann springt am 16.07.2014 in das Becken im Freibad Volksbad Limmer in Hannover (Niedersachsen).
Im Sommerloch bleibt endlich mal Zeit, um nach Feuilleton-Perlen zu tauchen. © picture alliance / dpa / Julian Stratenschulte
Von Ulrike Timm · 16.08.2016
Im Sommer haben die Zeitungen Platz für Themen, die im Wichtigkeitszirkus sonst untergehen. Drei davon haben wir für Sie herausgepickt: Auf den Spuren von Peter Handke im Kosovo, ein Bambus-Theater in der Nähe von Calais und ein "Haus der Träume" in Bagdad.
Plumps, Sommerloch – falls sie der Jahreszeit diesen Begriff überhaupt zubilligen wollen. Für die Feuilletons heißt das: manchmal liest man ellenlange Besinnungsaufsätze zu gut abgehangenen Themen, die werden dann in den Sommerwochen versenkt. Oder aber man liest schöne Stücke, die in keine Schublade passen, und die im Diskurs-, Premieren-, Ausstellungs-, kurz: im allgemeinen Wichtigkeitszirkus leicht verloren gehen – und plötzlich gibt es Platz dafür.
Machen wir also eine kleine feine Tour de Feuilleton und starten mit der SÜDDEUTSCHEN Zeitung in "Kosovo, 32° Celsius" – allein die Temperatur macht neidisch. Ralf Hammerthaler hat Badehose und Handtuch eingepackt und sucht ein Schwimmbad. Ein bestimmtes: der Schriftsteller Peter Handke soll 2014 einen Teil des Ibsen-Preisgeldes für ein Schwimmbad in Velika Hoca gespendet haben, ein serbisches Dorf im Kosovo. Peter Handke hat vor Jahren mit seiner Parteinahme für die Serben im Kosovo-Konflikt sehr nachhaltig irritiert. Und der Autor der SÜDDEUTSCHEN hat ein sogenanntes Grenzgänger-Stipendium erhalten – passt für eine Erkundungsreise in eine Gegend, die äußerlich befriedet ist, deren Bewohner aber tunlichst "unter sich" bleiben, nach Ethnien getrennt. Seinem Begleiter, Albaner, fällt jedenfalls sofort ein, dass er in dem serbischen Dorf bestimmt "der erste Albaner ist, der im Pool von Peter Handke badet". Pech, das Schwimmbad gibt es nicht.
"Eine Gruppe von Dörflern sei dagegen gewesen. Typisch Balkan", heißt es, "wenn die einen erkennen, dass die anderen etwas dagegen haben könnten, sorgen sie dafür, dass nichts daraus wird."
Die skurril-melancholische Sommertour von Ralf Hammerthaler.

"Mittsommertraum im Grünen"

Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG besucht ein "Tudor-Schloss mit Bambus Theater":
"Ironie der Geschichte: an dem Tag, als bekannt wurde, dass eine Mehrheit der Briten die Bande mit der Europäischen Union kappen will, fand unweit von Calais die Einweihung eines elisabethanischen Theaters statt",
l'entante cordiale benannt, also "herzliches Einverständnis", geschaffen von einem frankophilen Briten. Ein schlicht-raffiniertes, wunderschönes 400-Plätze-Haus, "ein Mittsommertraum im Grünen", die NZZ räumt die halbe Seite fürs Foto. Das elisabethanische Theater steht in einem Dorf bei Calais und ist wie gemacht für alles von Shakespeare.
"Die Dramen des großen Barden wimmeln von Flüchtlingen, Verbannten, Verfolgten", schreibt die NZZ, "man denke nur an 'Romeo und Julia', 'Der Sturm', 'King Lear'".
Andrew Todd, der Schöpfer des Baus, verweist denn auch darauf, dass das Theater nahe dem
"Migranten Dschungel" von Calais errichtet wurde, und in Sichtweite der weißen Klippen von Dover, des Traumziels so vieler Asylsuchender. Implizit befördert der Bau somit eine Botschaft der Empathie mit den Flüchtlingen".

Sorge um ein "Haus der Träume" in Bagdad

Den Schriftsteller Najem Wali beschäftigt nicht der Bau, sondern der mögliche Abriss eines geschichtsträchtigen Gebäudes in Bagdad. Für ihn ein "Haus der Träume", das durch die Geschichten derer, die dort in knapp hundert Jahren ein- und ausgingen, Zeugnis ablegt
"von einer irakischen Gesellschaft, in der die verschiedenen Religionsgemeinschaften friedlich Seite an Seite lebten. Der Kampf um den Erhalt dieses Hauses ist auch ein Kampf darum, einen letzten Überrest unserer verdrehten Träume vom Frieden in unserem Land zu retten."
All das steht in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN.
Drei sehnsüchtige Texte, die nach Verbindung in einer Welt voller Gegensätze suchen, haben wir herausgegriffen, ein paar handfeste Titelzeilen zum Schluss: "Wirre Bösewichte retten die Welt" – in der SÜDDEUTSCHEN zum Superspektakel "Suicide Squad", "Wenn der Gockel mit der Henne" in der NZZ zu einer Cimarosa-Oper bei den Innsbrucker Festwochen, wo schön singende Sänger aus nicht immer erfindlichen Regiegründen pittoreske Tiere mimen und fleißig Eier legen. Das ultimative Fazit aber zieht die BERLINER ZEITUNG, da heißt es kurz und knapp:
"Alle haben einen Knacks".
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