Aus den Feuilletons

Muss das Symbol der Castorf-Zeit weg?

Die Rad-Skulptur vor der Berliner Volksbühne.
Ein Markenzeichen: die Rad-Skulptur vor der Berliner Volksbühne. © imago/Lem
Von Gregor Sander · 16.03.2017
Die Rad-Skulptur vor der Berliner Volksbühne gilt als Symbol der Castorf-Zeit. Muss mit dem Intendantenwechsel nun auch das Rad abgebaut werden? Der "Tagesspiegel" warnt vor einem Dementi der Geschichte.
"Mein Ziel ist, einmal einen Oscar und eine Goldene Palme abzuholen",
sagt Matthias Schweighofer im Interview mit der Tageszeitung DIE WELT und meint das ganz ernst. Einen Zeitplan hat der 36-Jährige auch schon festgelegt.
"50, das wäre ein gutes Alter. Wenn du früh einen Oscar kriegst, was willst du denn dann noch machen?"
Das klingt natürlich gelinde großkotzig und soll wohl noch mehr Aufmerksamkeit für die Serie "You are wanted" erregen, in der Schweighöfer ab Freitag auf Amazon Prime zu sehen ist. Die Geschichte ist die: Einem braven Berliner Hotelmanager und Familienvater wird von Hackern die digitale Identität geklaut und plötzlich ist ordentlich Dampf unterm Einfamilienhausdach:
"Klingt das nicht nach einer mitreißenden Story",
fragt Michael Hanfeld in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG um dann selbst zu antworten:
Dummerweise ist die Geschichte dafür zu dünn, hat zu viele Schwächen, weist zu viel Längen und zu wenig Tempo auf.

"Auch in den dunklen Stunden ein Kerl mit goldenem Herzen"

Katharina Riehl von der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG macht hierfür den selbst geplanten Oscarpreisträger verantwortlich:
"Lukas Franke, den Schweighöfer ja nicht nur spielt, sondern als Regisseur der Serie auch selbst inszeniert hat, bleibt auch in den dunklen Stunden ein Kerl mit goldenem Herzen. Frank Underwood, die Hauptfigur in House of Cards, verführt gemeinsam mit seiner Ehefrau den Leibwächter. Lukas Franke hat an seinem Geburtstag Sex unter der Bettdecke."
"House of Herzchen",
titelt die SZ dann auch hinterlistig. Während Cornelius Oettle in der TAZ resümiert:
"Keine Frage: 'You Are Wanted' ist solide produziert, ordentlich inszeniert und die Akteure mimen gekonnt. Originalität und Kreativität lassen sich aber nicht so einfach kaufen."

"Frau des Bundespräsidenten wird weder gewählt noch bezahlt"

Darüber könnte man jetzt mit amerikanischen Serienverantwortlichen streiten, aber interessanter ist vielleicht was die SZ unter der Überschrift
"Vollzeitaccessoires"
behandelt. Sophie Schönberger macht sich Gedanken zur Rolle der First Lady in den USA und bei uns:
"Die Frau des Bundespräsidenten wird, ebenso wie die First Lady in den USA, weder gewählt noch bezahlt."
Trotzdem wird einiges von den ersten Ehefrauen verlangt. Die Bundespräsidentengattin muss Schirmherrschaften übernehmen oder Neujahrsempfänge organisieren.
Dafür stehen ihr ein Büro, eine Sekretärin und eine persönliche Referentin zur Verfügung. Es ist ein Vollzeitjob. Nach Veronica Carstens, die während der Amtszeit ihres Mannes ihre Arztpraxis zumindest in reduziertem Umfang weiterführte, hat sich keine Frau an der Seite des Bundespräsidenten mehr getraut, einer eigenen Berufstätigkeit nachzugehen.

Berliner Volksbühne: "Müssen die Speichen weichen?"

Auch Elke Büdenbender, die Ehefrau vom zukünftigen Präsidenten Frank-Walter Steinmeier wird ihre Richterinnenkarriere unterbrechen. Dass es auch anders geht, beweist die viel gescholtene Melania Trump, die den Einzug ins Weiße Haus verweigerte und dafür laut SZ ungewöhnliche Unterstützung bekommt:
"Want Melania Trump in the White House? Pay her", urteilte die New York Times kürzlich. Wenn ihr wollt, dass Melania Trump den Job im Weißen Haus erledigt, dann bezahlt sie.
Idealismus hingegen lässt sich nicht bezahlen, und um den geht es ja angeblich immer wieder im Streit um den Intendantenwechsel an der Berliner Volksbühne. Rüdiger Schaper hat jetzt ein neues Kapitel aufgeschlagen:
"Müssen die Speichen weichen?"
kalauert er unter der Überschrift:
"Rad ab?"
im Berliner TAGESSPIEGEL. Um dann über das vier Meter hohe Wahrzeichen vor der Volksbühne zu munkeln:
"Das Rad mit Füßen betrat Mitte der neunziger Jahre die Berliner Bühne. Nun könnte das lieb gewordene Eisentier von der Bildfläche verschwinden."

"Das Rad darf seinen Ort nicht wechseln"

Schaper hat dafür zwar keine Beweise, fordert aber trotzdem vorsichtshalber:
"Das Rad darf seinen Ort nicht wechseln. Es wäre ein Dementi der Geschichte. Das Räuberrad, finanziert durch Steuermittel, gehört der Allgemeinheit."
Bleibt denn wirklich nichts, wie es mal war? Doch, denn Trost finden wir in der FAZ. Eine alte Band veröffentlicht eine neue Platte und Andreas Platthaus stellt fest:
"Depeche Mode klingen mit 'Spirit' wieder nach Depeche Mode."
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