Aus den Feuilletons

Mensch oder Maschine?

Hauptdarsteller Johnny Depp steht bei der Premiere von "Transcendence" in Westwood, Kalifornien, mit Sonnenbrille vor einem Filmplakat.
Hauptdarsteller Johnny Depp bei der Premiere von "Transcendence" in Westwood, Kalifornien © picture-alliance / dpa / Michael Nelson
Von Hans von Trotha · 23.04.2014
Uneinig sind sich die Feuilletons bei der Bewertung des Thrillers "Transcendence". Ob Johnny Depp tatsächlich ein Superhirn spielen kann, das mit Großrechnern fusioniert, wird in der "SZ" mit einem Seufzen beantwortet.
Zwei große Nachrufe im Feuilleton. In beiden ist auf je ganz unterschiedliche Weise – einmal aufs Schrecklichste, einmal aufs Schönste - davon die Rede, wie lebensnotwendig das Erzählen von Geschichten ist. In der WELT nähert Peter Reichel sich aus Anlass von dessen 100. Geburtstag dem Leben des im Jahr 2000 verstorbenen polnischen Diplomaten Jan Karski an. Der war, so der Aufmacher, der
"Augenzeuge des Schreckens".
Er war "der Erste,der den Westmächten von den Plänen derNazis zur Judenvernichtung berichtete", jemand, der "unvorstellbares und weitgehendbilderloses Verbrechen als Augenzeuge beglaubigt hat", ein, wie Reichel eindringlich poetisch schreibt: "Augenzeugenkurier".
In der ZEIT verbeugt sich Daniel Kehlmann vor einem der größten Geschichtenerzähler des 20. Jahrhunderts. "Manchmal sind Superlative angebracht", titelt das Blatt:
"Mit dem Schriftsteller Gabriel García Márquez ist ein Genie gestorben, wie die Welt zurzeit kein zweites besitzt."
"Mit seinem Tod", so Kehlmann, "endet mehr als eine Epoche: Gerade war noch eine der großen Figuren der Literaturgeschichte anwesend: Balzac, Dickens, Zola, Tolstoi, James, García Márquez – eine Aufzählung, die nicht absurd klingt. Er war nicht einfach bloß besser als die Zeitgenossen, er gehörte in andere Zusammenhänge, er schien sich von Anfang an auf einer weiteren Umlaufbahn zu bewegen, und seltsamerweise haben das gerade seine Kollegen früh erkannt und neidlos akzeptiert."
Herrliches Plankton
Daneben nehmen sich die Geschichten und Geschichtenerzähler, die das Feuilleton sonst so zu bieten hat, nicht bloß zwergen- sondern schon planktonhaft aus – wobei uns Jens Jessen in der ZEIT aufklärt:
"Plankton ist etwas Herrliches. Anders als manche meinen, bezeichnet es kein Lebewesen, sondern eine Lebensweise. Plankton schwappt im Meer herum, lässt sich von Strömungen treiben und ist jeder freien Willensentscheidung über eine Richtungswahl entbunden".
Deswegen eignet sich Plankton nach Jessen,
"recht gut als Allegorie der engagierten Internetnutzer, deren Engagement ja ebenfalls nicht auf individuellen Entscheidungen beruht, sondern auf dem willenlosen Mitschwappen in einer Welle der Empörung."
Nicht bloß Empörung, sondern "international eine hyperkinetische Reaktion" haben laut FAZ die Thesen ausgelöst, die Springer-Chef Mathias Döpfner über die "Allmacht von Google" aufgestellt hat. Darauf darf seit Wochen in der FAZ geantwortet werden. Diesmal behauptet Jaron Lanier, Mitbegründer des International Institute for Evolution and Brain und Entwickler des ersten Avatars:
"Den Kampf gegen die Programmierer unseres Lebens kann kein Staat der Welt mehr gewinnen. … Es ist inzwischen möglich, ganze Bevölkerungen mithilfe statistischer Kalkulationen zu beeinflussen, ihr Verhalten zu optimieren. Werbung ist keine Kommunikationsform mehr, sondern das bezahlte Mikromanagement der Optionen, die den Leuten angeboten werden. Das wiederum trägt dazu bei, dass die Leute schlechte Entscheidungen treffen."
Womit wir wieder beim Plankton wären, das gar keine Entscheidungen trifft, also auch keine schlechten. Stefan Schulz ruft für die Filmredaktion ausgerechnet in derselben FAZ aus: "Die Möglichkeiten sind unendlich, nutze sie!"
Gehirn hochladen - kein Problem!
Und berichtet:
"Der Film 'Transcendence' muss die Wahl zwischen Mensch und Maschine treffen."
Während Schulz dem Film durchaus etwas abgewinnen kann, schreibt Tobias Kniebe in der SÜDDEUTSCHEN:
"Kann Johnny Depp ein Superhirn spielen, das mit den Schaltkreisen eines Großrechners fusioniert und nach der Weltherrschaft greift? Wally Pfisters 'Transcendence' gibt eine klare Antwort."
Kniebe meint:
"Was draus geworden ist, lässt sich nun aber doch in einem einzigen Seufzer zusammenfassen: Hach!"
Da fällt auf, wie selten in unseren Feuilletons geseufzt wird.
"Ich denke, also bin ich Johnny Depp",
titelt die WELT anlässlich von "Transcendence" und die TAZ:
"Gehirn hochladen? Kein Problem! Einen Film daraus machen? Schon eher!"
Was wiederum beweist, dass viel wichtiger als die Dinge, die in der Welt passieren oder noch passieren können, die Menschen sind, die uns davon erzählen.
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