Aus den Feuilletons

Meese schlägt zurück

Der Künstler Jonathan Meese führt am 26.06.2013 im Nationaltheater Mannheim (Baden-Württemberg) das Stück "Generaltanz den Erzschiller" auf. Die Performance ist Teil der 17. Internationalen Schillertage.
Meese provoziert gerne mal mit einem künstlerisch gemeinten Hitler-Gruß. © picture alliance / dpa / Uli Deck
Von Tobias Wenzel · 16.11.2014
Nach seinem Aus bei den Bayreuther Festspielen hat der Künstler Jonathan Meese den Vorwurf zurückgewiesen, sein Konzept sei zu kostspielig für Bayreuth. Vielleicht wollte man einen Nazi-Aufreger vermeiden, vermutet die "SZ".
"Es geht auch ohne Netrebko" (SÜDDEUTSCHE ZEITUNG).
"Es geht auch ohne Netrebko, aber mit Demut" (FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG).
"Ohne Sopranistin Anna Netrebko ein großer Erfolg" (DIE WELT).
Die Feuilletons vom Montag greifen die Tatsache auf, dass die russische Starsängerin zwei Wochen vor der Premiere von Puccinis "Manon Lescaut" an der Bayerischen Staatsoper das Handtuch geworfen hat, wegen inhaltlicher Differenzen mit Regisseur Hans Neuenfels. Die lettische Sopranistin Kristine Opolais sprang für Netrebko ein.

Für die Bravo-Rufer sei Opolais die "bessere Lösung" gewesen, schreibt Reinhard J. Brembeck in der SZ. Die Buhrufer hätten allerdings Netrebko "schmerzlich vermisst":
"Oper als aufklärerisch moralische Anstalt, die mehr will als schönen Gesang, ist eben nicht jedermanns Sache."
Eleonore Büning lobt in der FAZ den Regisseur ebenso wie die Sängerin:
"Kristine Opolais wagt etwas. Sie beherrscht die Partie der Manon bis in die feinste, widersprüchliche Falte der Charakterzeichnung."
Das Fazit:
"Es ist, kurzum, ein großer Opernabend."
"Meese schmollt nun bei Mutti"
Und wer springt jetzt für Jonathan Meese ein? Am Freitag kündigten die Bayreuther Festspiele den Vertrag mit dem Künstler. Er sollte den "Parsifal" 2016 inszenieren. Der Kündigungsgrund: Meese hätte das ihm bewilligte Budget vermutlich deutlich überzogen. "Meese schmollt nun bei Mutti und gibt beleidigte 'Spiegel'-Interviews", schreibt Manuel Brug in der WELT.
"Meese ist nicht an Wagner gescheitert, sondern Bayreuth an Meese. Alle anderen Gründe sind vorgeschoben", schreibt wiederum Jonathan Meese im neuen SPIEGEL. Ja, er spricht nun mal gerne von sich selbst in der dritten Person. "Möglicherweise ist die Sache auch banaler", vermutet Helmut Mauró in der SZ.
"Vielleicht will man in Bayreuth einen zweiten Nazi-Aufreger vermeiden."
Denn Meese provoziert gerne mal mit einem künstlerisch gemeinten Hitler-Gruß.
Nicht Herr seiner Sinne
Von Nazi-Befürchtungen zu Nazi-Verfolgungswahn. Von Meese zu Messie. Sie erinnern sich: Bei Cornelius Gurlitt stießen Kunstsachverständige auf einen Messie-Haushalt, auf von Schmodder überzogene millionenschwere Gemälde. Über den bereits verstorbenen, "einstigen Messie", schreiben nun Jörg Häntzschel und Catrin Lorch in der SZ. Gurlitt hatte kurz vor seinem Tod dem Kunstmuseum Bern seine Sammlung von Bildern vererbt, unter denen sich auch Nazi-Raubkunst befinden soll.Die SZ-Autoren fragen nun, ob das Testament überhaupt gültig war. Denn Gurlitt sei bei der Abfassung schon "schwer krank" gewesen.
Die übergangenen gesetzlichen Erben hätten ein Gutachten beim Psychiater Helmut Hausner in Auftrag gegeben. Der Befund: Gurlitt habe beim Verfassen des Testaments an "Demenz" gelitten, an "einer schizoiden Persönlichkeitsstörung und einer wahnhaften Störung". So habe sich Gurlitt bis zu seinem Tod "von Altnazis verfolgt" gefühlt. Könnte man das Testament also anfechten, weil Gurlitt gar nicht Herr seiner Sinne und eines freien Willens war?
"Ich liebe die Werbung, weil ich die Lüge liebe"
Werbung verführt unsere Sinne und manipuliert unseren Willen. Das weiß auch der amerikanische Comedian, Autor und Schauspieler Jerry Seinfeld - und lobt trotzdem die Werbung. Die SZ zitiert aus seiner Rede, mit der sich Seinfeld für einen von der Werbeindustrie verliehenen Preis bedankte:
"Ich liebe die Werbung, weil ich die Lüge liebe. In der Werbung ist alles so, wie man es sich wünscht. Es ist mir egal, ob ein Produkt WIRKLICH das Produkt ist, das mir die Werbung versprochen hat. Zwischen dem Zeitpunkt, an dem ich die Werbung sehe, und dem Zeitpunkt, an dem ich das Produkt tatsächlich besitze - dazwischen bin ich glücklich."
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