Aus den Feuilletons

Meer, Krieg und ehrliche Täuschung

Menschen hinterlassen feine Spuren im Sand am Meer
Menschen hinterlassen feine Spuren im Sand am Meer © dpa/picture alliance/Stefan Sauer
Von Arno Orzessek  · 26.08.2014
Die "FAZ" widmet sich Camus, der sich wiederum der Sonne widmet, die ihrerseits das Meer und den Strand besonders bedenkt und scheint. Die "Welt" dagegen will es noch einmal wissen und hat sich noch einmal Amazon vorgeknöpft.
"Sein Herz beginnt hier neu zu schlagen",
heißt ein Artikel in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG…,
…der keinen Menschen interessieren wird, der im Feuilleton nur Fakten, Thesen und Urteile sucht. Umso mehr uns.
Es ist nämlich ein hingebungsvoll dem Atmosphärischen verschriebener Artikel über Albert Camus‘ "L’Été".
Laut FAZ-Autorin Annabelle Hirsch handelt Camus' Essay vom "Sonnendenken am Meer" - und das verführt sie selbst zum Schwärmen:
"In diesen Tagen, in denen das veränderte Licht die Dinge klarer erkennen lässt, ist die Welt, wie sie sein sollte. Als habe jemand mit einem großen Besen durch das Leben gefegt, lösen sich die Verwirrungen und Irrungen des Alltags unter der Sonne auf wie kleine Eiswürfel, die noch im falschen Drink, im falschen Leben klimpern. Und dann, wenn es wieder dunkel wird und die Großzügigkeit der blühenden Bäume der Schmallippigkeit von kahlen Ästen gewichen ist, fragt man sich, wo es hin ist, das Urvertrauen, die Naivität, die Einfachheit, das Einverständnis mit den Dingen und ihrem Lauf."
Wow! "Die Schmallippigkeit von kahlen Ästen…" – herbstlich wird's uns, wenn wir's lesen.
Aber eigentlich will Hirsch ja von Camus erzählen. Dem Camus, dessen ruhmreiche Pariser Tage sich dem Ende neigen. Und der von Jean-Paul Sartre über "Der Mensch in der Revolte" zu hören bekommen hatte:
"'Was, wenn Ihr Buch einfach nur von Ihrer philosophischen Inkompetenz zeugen würde? Wenn Sie nicht besonders gut denken könnten?'"
In "L’Été" nun berichtet Camus, wie er einmal ins algerische Tipasa zurückkehrte, dorthin, wo er als junger Denker nichts tuend, nur sonnenbadend glücklich gewesen war und "Hochzeit des Lichts" verfasst hatte. Natürlich war es nun nicht mehr wie einst – Camus jedoch blieb der Sonnenliebe treu:
"'Wenn man einmal das Glück hatte, stark zu lieben, sucht man sein Leben lang nach diesem Feuer, diesem Licht.'"
Wir bleiben in der Hitze Afrikas, nun jedoch "Auge in Auge mit den Schrecken des Krieges".
So überschreibt die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG Bernadette Conrads Besprechung von "Der Garten der verlorenen Seelen".
Eine "fast unerträgliche Spannung zwischen Schönheit und Schrecken"
In ihrem neuen Roman erzählt Nadifa Mohamed vom Bürgerkrieg in Somalia.
"Mohameds Leistung [so Bernadette Conrad] ist ihre mutige Bereitschaft, der Gewalt, vor der sie als Kind mit den Eltern floh, viele Jahre später ins Auge zu sehen. In diesem Krieg […] wurden Kinder als lebende Blutkonserven gebaucht; so lang, bis sie ausgeblutet und also tot waren. Zugleich – und das macht die Grösse des Buches aus – würdigt Nadifa Mohamed die Schönheit der somalischen Landschaft und Kultur […]. Die daraus entstehende, mitunter fast unerträgliche Spannung zwischen Schönheit und Schrecken hat die Kraft einer Mission."
Alles Missionarische vermeiden will Kulturstaatsministerin Monika Grütters. Trotzdem prangert sie in der Tageszeitung DIE WELT schon wieder die Geschäftspraktiken des Internethändlers Amazon an und erklärt, "'einen Preis für unabhängige, inhabergeführte Buchhandlungen auszuschreiben, der 2015 erstmalig vergeben werden soll.'"
Verdutzt Nachfrage der WELT: "Sie wollen die Vielfalt [der Buchhandlungen] durch symbolische Instrumente schützen?"
Konter Grütters: "'Ein solcher Preis – immerhin sprechen wir von gut einer Million Euro Preisgeld, aus dem viele einzelne Buchhandlungen prämiert werden können – ist mehr als ein symbolischer Akt. Schon Preisgelder von 7000 bis 10.000 Euro sind für eine kleine Buchhandlung viel Geld.'"
Nicht so für einen Künstler wie Damien Hirst, dessen immer gigantischere Werke laut FAZ die Kunst in einen "Teufelskreis" verstricken.
"Je größer die Kunst, desto höher die Preise; je unbezahlbarer die Werke, desto größer die Abhängigkeit von privaten Sammlern – die öffentliche Häuser wiederum brauchen, um ihre Investitionen langfristig abzusichern. Womit die Preise weiter steigen."
Finden Sie das Kunst-Gedöns manchmal suspekt, liebe Hörer? Und glauben Sie, Bodenständigkeit sei das Wahre?
Dann beachten Sie bitte die Einsicht von Groucho Marx, die in der TAGESZEITUNG nachzulesen ist:
"'Das Geheimnis des Lebens sind Ehrlichkeit und fairer Umgang miteinander. Wenn du das vortäuschen kannst, hat du es geschafft.'"