Aus den Feuilletons

Lieber ein trauriger als ein gruseliger Clown

Sogenannte Grusel-Clowns erschrecken in ganz Deutschland Menschen - teilweise verletzen sie sie auch (Aufnahme vom 29.10.2015).
Sogenannte Grusel-Clowns erschrecken in ganz Deutschland Menschen - teilweise verletzen sie sie auch. © dpa / picture alliance / Erik S. Lesser
Von Ulrike Timm · 25.10.2016
Horrorclowns beunruhigen derzeit viele Menschen. Postwendend liefern die Zeitungen die Kulturgeschichte dazu. Eine feinsäuberliche Eindampfleistung bietet der "Tagesspiegel" unter anderem am Beispiel von Heinz Rühmann.
Die Horrorclowns haben die Feuilletons erreicht. Von "Scherz und Schmerz" erzählt der TAGESSPIEGEL, und ziert seinen Bericht mit einigen Gruselbildern. Heath Ledgers langgezogen geschminktes Horrorlachen als Joker in "The Dark Night" und den so traurigen wie zerstörerischen Blick dazu vergisst man ja auch nicht, und die Zeitung schenkt ihm glatt eine halbe Seite.
Der Schauspieler Heinz Rühmann bei einem Auftritt als Clown in "Stars in der Manege" 1973.
Der Schauspieler Heinz Rühmann bei einem Auftritt als Clown in "Stars in der Manege" 1973.© picture alliance / dpa
Dagegen wirkt das Foto von Heinz Rühmann als trauriger Clown bei "Stars in der Manege" ganz hilflos – weshalb es im TAGESSPIEGEL-Artikel wohl auch nur auf die Größe einer Briefmarke kommt.
Nicht zuletzt aber, pardon, entlarven die Bilder auch einen bestimmten Zugriff der Feuilletonschreiberei: ein gesellschaftliches Phänomen beunruhigt, postwendend liefern die Zeitungen die Kulturgeschichte dazu. Und so klappert der Tagesspiegel brav die Stationen der traurigen wie der Horrorclowns in Film und Literaturgeschichte ab. Von Guy Fawkes im 17. Jahrhundert über die so rührenden wie rührend aus der Zeit gefallenen armen Clowns von Grog bis Rühmann, bis hin eben zu Heath Ledgers furchterregendem Joker in "The Dark Night" - alles auf zweieinhalb Spalten.
Das ist zweifellos eine feinsäuberliche Eindampfleistung – aber das Beste sind halt doch die Bilder.
Die allgemeine Ratlosigkeit darüber, warum die Grusel-Clowns nun als reale und ziemlich gemeingefährliche Faxenmacher in die reale Welt wechseln, die zieht sich als Tenor durch die Zeitungen. Für die TAZ sind es dumme
"'Wichte mit Clownsmasken'. Es ist ein Einfaches, sich eine grässliche Clownsmaske zu besorgen, sie sich überzustülpen, in einer niedersächsischen Kleinstadt rumzurennen und Leute zu erschrecken",
so heißt es weiter. Gänsehaut verbreitet eher der Kommentar in der WELT: "Zum Totlachen", die Redewendung kriegt einen beklemmenden Unterton, wenn da ein Horrorwicht aus dem Gebüsch springt und das Ganze in eine Messerstecherei ausartet, samt Notoperation. Wobei Stephen King, der Schöpfer des grauenhaften Clowns Pennywise, der kleine Kinder frisst, auf Twitter Entwarnung gibt:
"Hey Leute, es wird Zeit, die Hysterie um Clowns runterzufahren", so zitiert ihn die WELT, "Die meisten sind gut, muntern die Kinder auf, bringen sie zum Lachen."
Wäre gut, das Clownswesen fände umgehend schon vor Halloween zu dieser Bestimmung zurück.

Von deutschen Lieblingswörtern

Zur "deutschen Identität" zählt die WELT die Gruselwichte – immerhin – noch nicht. Die "deutsche Identität" hat die Zeitung in einer halb Ernst, halb schräg gemeinten "Leitkultur für alle" ergründet. Und zum kulturellen Kanon gehören für die WELT Volkswagen, Mannschaft, Angst, Sehnsucht, Vollkorn und Lied bis hin zu "ach so". Was die Pressebeschauerin auch sagte, als sie die nett geschriebenen, aber irgendwie auch erwartbaren Histörchen las. Kostprobe DIN, also Deutsches Institut für Normung – das eben auch unbedingt dazu gehört:
"Es ist das diffus befriedigende Gefühl, dass alles irgendwie geregelt ist. Und es ist auch sehr deutsch, Regeln und Normen so zu verinnerlichen, als seien sie gesetzt. Dabei sind sie nicht nur freiwillig, erklärt das Institut, DIN-Normen werden ausdrücklich von denjenigen entwickelt, die sie später anwenden. Also los Deutsche: Jeder sollte einmal im Leben die Bestellung einer Norm beantragt haben!"

Fußball-Niederlagen im Museum

Die TAZ berichtet von einem kreativen Unternehmen, die Fans des FC St. Pauli gestalten am Millerntor ein Vereinsmuseum.
"Gezeigt werden sollen nicht Triumphe und Trophäen, sondern Misserfolge und das stetige Wiederaufstehen (...) Niederlagen hinter Glas" ...
... also, Ideen, Zeit und Engagement sind schon vorhanden, Geld wird eher noch gesucht. Ursprünglich sollte in die Stadionräume auf der Gegengrade übrigens mal die Stadionwache der Polizei einziehen. Jetzt also ein Museum. Als Fernziel. Zwei provisorische Ausstellungen sind schon mal fest geplant, als Vorgeschmack. Das sympathische an dieser Aktion engagierter Fans und Ehrenamtler: DIN-Norm beansprucht ein FC- St. Pauli- Museum ganz sicher nicht.
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