Aus den Feuilletons

Kölle: Je ne suis pas Charlie

Mottowagen mit Wappen der Stadt Köln vor der Severinstorburg, aufgenommen beim Rosenmontagszug 2014 in Köln
So geht braver Karneval: Mottowagen mit Wappen der Stadt Köln vor der Severinstorburg, aufgenommen beim Rosenmontagszug 2014 in Köln © dpa / picture alliance / Horst Galuschka
Von Klaus Pokatzky · 29.01.2015
Die Entscheidung, einen Karnevalswagen mit einem Terroristen nicht beim Kölner Rosenmontagszug zu zeigen, wird in den Feuilletons kritisiert. Vorauseilender Gehorsam mindere nicht das Risiko von Anschlägen, meint der Karikaturist Heiko Sakurai in der "Berliner Zeitung".
"Das ist nicht lustig", lesen wir in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG. "Erst wollte das Kölner Karnevals-Komitee die Meinungsfreiheit, ohne die es bekanntlich auch keine Narrenfreiheit gibt, am Rosenmontag groß auf den Schild heben: mit einem Motivwagen zu 'Charlie Hebdo'." Und der sollte so aussehen, wie die BERLINER ZEITUNG mitteilt: "Ein schwarz gekleideter Terrorist mit Sprengstoffgürtel muss mit ansehen, wie der Lauf seines Maschinengewehrs durch einen clownsnasigen Zeichner zerstört wird, der einen Bleistift hineinstopft." Und daraus wird nun nichts. "Am Mittwoch kippte das Komitee den Wagen. Man stehe weiterhin zu seiner Botschaft, eierten die Offiziellen verbal herum, aber man trage den Rückmeldungen besorgter Bürger Rechnung. Im Klartext: Wir haben Angst vor Anschlägen", ist in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN zu lesen. Die BERLINER ZEITUNG zitiert die Kölsche Lokalcombo Bläck Fööss mit dem "internationalen historischen Stammbaum", den die Kölner haben – nicht nur, wenn sie jeck sind: "Ich ben Grieche, Türke, Jude, Moslem un Buddhist, mir all, mir sin nur Minsche, vür'm Herjott simmer glich."
"Glaubt wirklich irgendjemand, dass diesem Zusammenleben von Menschen verschiedener Kulturen und Religionen, auf das Köln zu Recht stolz ist, ein Dienst erwiesen wird, wenn nicht mehr gegen Terroristen Stellung bezogen werden darf, die genau dieses Zusammenleben zerstören wollen?", fragt Heiko Sakurai, der politische Karikaturist der BERLINER ZEITUNG. "Es ist ein Irrglaube zu meinen, durch derartigen vorauseilenden Gehorsam würde das Risiko von Terroranschlägen im öffentlichen Raum in irgendeiner Weise gemindert." Kölle: Je ne suis pas Charlie.
Die Grafik zeigt in Köln das Siegermotiv für den Karnevalswagen zum Thema Meinungsfreiheit.
Ist an Rosenmontag doch nicht zu sehen: Der geplante Motivwagen zum Anschlag auf die Zeitschrift "Charlie Hebdo"© Festkomitee Kölner Karneval/dpa
"Im Norden versteht man unseren Humor oft nicht", sagt Jürgen Haase aus Dresden. "Oder erschrickt, wenn man Sächsisch hört. In Ostfriesland standen wir schon vor Leuten, die wussten kaum, wo Dresden liegt." Das ist heutzutage anders. Seit Pegida dürfte auch jeder Ostfriese wissen, wo Dresden liegt. "Da sind sogar durchaus intelligente Leute dabei", erzählt Jürgen Haase noch im Interview mit der BERLINER ZEITUNG – der Mann der sächsischen Satire vom Zwinger-Trio, das es nun seit 33 Jahren gibt. "Ich frage mich auch seit ein paar Wochen, wie das finanziert wird. Wenn da jedes Mal für 15.000 und mehr Leute ein Platz beschallt werden muss, wer bezahlt das?"
Vor wenigen Wochen noch konnte er eine Schau seiner Werke in einer Berliner Galerie erleben – nun ist einer der ganz großen Fotografen verstorben, ein Chronist des alten, geteilten Berlin: Will McBride. "Nicht die Krater und Ruinen machten sein Berlin aus, sondern die Lebensfreude und die Kraft der Berliner, die an den Ruinen nicht verzweifelten, sondern in ihnen aufblühten", heißt es in der Tageszeitung DIE WELT über den einstigen GI, der in den amerikanischen Südstaaten geboren und in Chicago aufgewachsen war und nach seinem Militärdienst in Würzburg, Mitte der 50er-Jahre, nach Berlin zog. "Es war eine amerikanische Zuversicht, die seinen Bildern die Melancholie und Schwere nahm, wenn er das Treiben der Teenager am Wannsee, die Partys in seinem Studio, die ungezügelte Sexualität dokumentierte", schreibt Ulf Poschardt. "McBride war nicht nur kühler Beobachter, sondern auch Kollaborateur eines rebellischen Lebensgefühls. Er nahm dieselben Drogen, liebte dieselben Frauen und später Männer." Nun verstarb er in der Nacht zum Donnerstag in seiner Wohnung am Hackeschen Markt. Ulf Poschardt: "Dort hatte er gemalt, nicht mehr fotografiert. Das neue Berlin war ihm fremd geworden. Es bot seinem freien Blick keine Inspiration mehr."
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