Aus den Feuilletons

Kochende Männer und arme Teufel

Blick auf eine Tisch mit einer Pfanne Gambas, Weißbrot und Wein
Kochen statt Modelleisenbahn: Die neue Leidenschaft der Männer © deutschlandradio.de / Daniela Kurz
Von Maximilian Steinbeis · 01.09.2014
Die "Welt" hat "Gastrosexualität" als neuen Trend ausgemacht, während sich die FAZ lustig macht über das Klimbim rund um den Deutschen Buchpreis.
Einen Heidenspaß haben sie heute wieder, die Witzbolde vom überregionalen deutschen Zeitungsfeuilleton. Die WELT beömmelt sich über Männer mit "Vakuumiergeräten", die FAZ lacht sich über den Deutschen Buchpreis schlapp, und die SÜDDEUTSCHE kriegt sich über Peter Bogdanovichs beim Festival in Venedig gezeigten Film "She's funny that way" kaum noch ein: "Wer diesen Film nicht komisch findet, hat Depressionen", schreibt Susan Vahabzadeh. Den größten Brüller aber bringt die BERLINER ZEITUNG: Sie lässt ihren Altverleger Alfred Neven-DuMont den Feuilletonaufmacher schreiben.
Die neue Leidenschaft des Mannes: Kochen
Doch der Reihe nach. "Gastrosexualität" ist das Thema des WELT-Autors Elmar Krekeler, "das nächste große Ding als kulinarisches Distinktionsmerkmal des Hipsters" und ein angeblich ausschließlich männliches Phänomen. Der "gastrosexuelle Mann kocht", ach was kocht, er "verändert die Welt der Nahrungsmittel ( ... ), weil sie ihm nicht genügt", mit Pacojet, Kopffräse und Rotationsverdampfer stellen sie "Cheeseburger mit Pilzketchup, dekonstruierten Emmentalerscheiben und Ultraschallpommes"her.
Diese "neue Leidenschaft des Mannes", spottet der WELT-Autor, "hat auch entschiedene Vorteile. Im Gegensatz zur Märklin-Eisenbahn oder zum Motorrad schmeckt das Resultat der neuen Ausprägung des Männerwahns in der Regel ordentlich. Sie findet in der Mitte der Gesellschaft statt und nicht mehr in ihren Kellerräumen."
Der Verleger als Rezensent
Ein Mann, der ebenfalls nicht gern in Kellerräumen arbeitet, ist auch der Kölner Groß- und Urverleger Alfred Neven-DumMont. Der hat 2009 die Berliner Zeitung gekauft, und daher ist es sein gutes Recht, ihr Feuilleton vollzuschreiben. Das neue Buch des Bestseller-Anwalts Ferdinand von Schirach rezensiert der Verlags-Aufsichtsratschef, ein Buch, das vom Großvater des Autors handelt, dem NS-Reichsjugendführer und Gauleiter von Wien, Baldur von Schirach.
Dem Rezensenten hat es nicht gefallen, wenngleich er gar nicht recht sagen kann wieso. Der Autor habe nichts falsch gemacht, "ihm gelingt, das muss man ihm ohne Vorbehalte testieren, die Balance zwischen notwendiger Distanz und anschaulicher Betrachtung". Dennoch beklagt sich der Seniorverleger über ein "ungutes Gefühl" und lokalisiert dasselbe schließlich in der Befürchtung, dass eine"jüngere Generation", die sich mit den NS-Verbrechen "wenig oder gar nicht beschäftigt hat", am Ende sagen könnte:
"Es war doch alles nicht so schlimm!"
"Doch!", donnert Neven-DuMont.
"Es war schlimm. Es war sehr, sehr schlimm!"
Die armen Teufel auf der Buchpreis-Shortlist
Unter den Dingen, die einem Buchautor passieren können, ist eine Rezension von Neven-DuMont vielleicht gar nicht das Übelste, wenn man bedenkt, dass man auch auf die Shortlist des Deutschen Buchpreises gesetzt werden könnte. "Die armen Teufel", denen das widerfährt, "tun mir leid", schreibt in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG der Romanautor Michael Ziegelwagner. Der ist in diesem Jahr einer von 20 Longlist-Kandidaten, und um zu verstehen, warum er die Shortlist so grässlich findet, muss man wissen, dass er als Redakteur bei der Titanic sein Brot verdient.
Die sechs Shortlist-Kandidaten leben, "auf der Longlist mit 14 Minderbegabten gefangen, ( ... ) derzeit in ständiger Ungewissheit, selbst einer dieser 14 zu sein".
Dann müssen sie sich auch noch vom Feuilleton dafür mobben lassen, Mann statt Frau zu sein oder alt statt jung. Vor allem aber müssen sie am 6. Oktober zur Preisverleihung nach Frankfurt fahren.
"Schrecklich und demütigend ist dieses Prozedere vor allem dann, wenn man es ernst nimmt."
Wie lustig wäre es, würden stattdessen alle 20 Longlist-Kandidaten dem Vorschlag des Titanic-Scherzkeks folgen und sich darauf verständigen, das Preisgeld am Ende unter allen 20 aufzuteilen.
"Das verordnete Reglement, wonach ein Roman zehnmal so viel wert ist wie ein anderer, wäre zumindest in monetärer Hinsicht ins Wackeln gebracht."
Und noch schöner: "Ohne das Preisgeld" könnten die bemitleidenswerten Shortlist-Autoren die Preisverleihung in Frankfurt "solidarisch-gewerkschaftlich schwänzen" und stattdessen auf dem Platz vor dem Rathaus picknicken.
"Wer entmündigte Schreibschüler züchtet, soll kindische Streiche ernten."