Aus den Feuilletons

Im Verstehen liegt Hoffnung

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Die Schriftstellerin Karen Duve © dpa / picture alliance / Erwin Elsner
Von Adelheid Wedel · 17.10.2014
Die "SZ" blickt auf das Ideenfestival Ted Conference und berichtet über die vorgestellten Konzepte, die "taz" nimmt Karin Duves "Warum die Sache schief ging" unter die Lupe, und der "Tagesspiegel" setzt sich mit dem Snowden-Film "Citizenfour" auseinander.
"Es sind Menschen in den Schwellen- und Entwicklungsländern, die heute für Veränderungen und Fortschritt kämpfen, während die Bürger in den nordatlantischen Kontinenten auf die Straßen gehen, damit alles so bleiben kann wie bisher,"schreibt Andrian Kreye in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG.
Er berichtet vom Ideenfestival Ted Conference, das in diesem Herbst erstmals auf der südlichen Halbkugel stattfand, in Rio de Janeiro.
"Es waren dann auch die Redner aus Afrika, Asien und Südamerika, die über Chancen sprachen, nicht über Krisen."
Die Wirtschaftswissenschaftlerin Sipho Moyo zum Beispiel lehnt ab, von Afrika als Abbauhalde für Rohstoffe zu reden, sie betrachtet "Afrika als Motor der Weltwirtschaft." Deutlich wurde , "südamerikanische und afrikanische Aktivisten sehen im Internet kein Instrument der Kontrollgesellschaft, sondern einen Hebel der Befreiung."
Zum Optimismus des Südostens gehöre auch ein neues Selbstbewusstsein, mit denen sich die Intellektuellen von den Idealen und auch vom Pessimismus der nordatlantischen Kulturkontinente lösen wollen, meint Kreye. Die erste Aufgabe der Eliten beider Welten, so der Autor, bestünde nun darin, "den Solidaritätsgedanken neu zu definieren. Ohne die Rollen der Gönner und der Opfer."
Vielleicht gingen Karin Duve ähnliche Gedanken durch den Kopf. "Nur im Verstehen liegt noch Hoffnung," sagt sie im Gespräch in der Tageszeitung TAZ.
Die Schriftstellerin hat unter dem Titel "Warum die Sache schief ging“ über das bevorstehende Ende der Menschheit geschrieben. Was sie bei der Recherche zu ihrem ursprünglich geplanten Roman, der im Jahr 2030 spielen sollte, erschütterte, "war nicht, dass die Zivilisation durch die sich gegenseitig dynamisierenden Klima-, Energie-, Flüchtlings- und Kriegskrisen zusammenbricht, sondern dass das jeder weiß, der es wissen will. Und es keinen interessiert, vor allem nicht die sogenannten Entscheider."
Duve empört sich: "Es gibt viel Geschrei um Renten, Finanzmärkte oder Goldpreise, man doktert an kleinen Symptomen herum und lässt das größte Problem der Menschheit völlig außen vor."
Schuld daran sei eine kleine Kaste ehrgeiziger, machtbesessener und risikobereiter Männer – teilweise echte Psychopathen –, "die seit Urzeiten die Weltläufe und die Ideologien bestimmen und die langfristigen Interessen der Menschheit für den kurzfristigen Vorteil ihres Unternehmens aufs Spiel setzen, und zwar in jeder Staatsform, wie man am realen Kapitalismus sehen kann und am realen Sozialismus sehen konnte."
Duve unterbreitet in ihrem Buch, das im Galiani Verlag erschien, einige Lösungsvorschläge, für die man Menschen begeistern müsste. Sie aber meint: "Geht es nicht darum, die Leute stinkwütend zu machen?"
Mit Edward Snowden und der Dokumentarfilmerin Laura Poitras stellt Jan Schulz-Ojala im TAGESSPIEGEL "moderne Helden" vor. Ab 6. November kommt der Film "Citizenfour" in die Kinos:
"Die Regisseurin Laura Poitras und der Journalist Glenn Greenwald haben im Juni letzten Jahres mit ihrem titellosen Video das einstweilen wichtigste filmische Dokument des nicht mehr ganz jungen Jahrhunderts vorgelegt", lobt der Autor.
"Binnen einer knappen Viertelstunde hat der Whistleblower Snowden darin den Blick der Welt auf sich selbst verändert. Eine kollektive Ahnung wurde zur Gewissheit: Wir leben in einem globalen Überwachungsstaat."
Die Enthüllungen sind kaum ein Jahr her, und doch scheint deren Vorbereitung in Poitras‘ neuer Dokumentation wie Lichtjahre entfernt.
"Zugleich reißt 'Citizenfour' sein Publikum faszinierend zurück in jenen Augenblick, der den Selbstbegriff der Internet-Generationen in ein Davor und Danach teilte. Citizenfour zeigt quasi die Home-Story zu jenem 29-Jährigen, der bislang der Öffentlichkeit nur durch sein Video-Gesicht bekannt war.
Wobei das Zuhause größtenteils auf ein Hotelzimmer beschränkt bleibt, in dem sich Snowden, Greenwald und die Regisseurin zusammenfanden. Manchmal tritt Snowden ans Fenster und wirkt wie ein Gefangener, der wissentlich alle künftige Bewegungsfreiheit einer größeren Sache opfert.