Aus den Feuilletons

Heute kümmern wir uns um den Kaiser

Als liebenswerter Kaiser Franz-Josef (r) schrieb Karlheinz Böhm mit der "Sissi"-Trilogie (1955 - 1957) an der Seite von Romy Schneider als Kaiserin Elisabeth (M) Filmgeschichte.
Karlheinz Böhm und Romy Schneider gingen als Regentenpaar von Österreich-Ungarn in die Filmgeschichte ein. Der echte Kaiser Franz-Josef starb vor genau 100 Jahren. © picture-alliance / dpa
Von Arno Orzessek · 20.11.2016
Angela Merkel will weiter Kanzlerin bleiben, aber die Feuilletons springen auf dieses Thema noch nicht so richtig an. Stattdessen bestimmt er weiter die Spalten: Donald Trump. Begleitet ist diese Trump-Aufgeregtheit von ordentlich alten Kamellen. Zum Beispiel aus Österreich.
Haben Sie Lust auf Trump, liebe Hörer?
Wir meinen jetzt nicht direkt in erotischer Hinsicht, Gott bewahre.
Uns interessiert bloß, ob es Ihnen gefallen würde, wenn Donald Trump zum Dreh- und Angelpunkt auch dieser Kulturpresseschau würde.
Die frischen Feuilleton-Artikel geben das schon wieder locker her. Und weil die feinen Federn zur erneuten Kanzlerkandidatur Angela Merkels noch schweigen, läge Trump nahe.
Aber wissen Sie was? Wir selbst haben heute keine Lust auf Trumpelei!

Der Thron und seine Geschichte

Wir vertiefen uns, dem Aktualitäts-Diktat zum Trotz, lieber gemütlich in olle Kamellen...
Und kümmern uns mit der Tageszeitung DIE WELT um den 100. Todestag von Franz Joseph I., Kaiser von Österreich und Ungarn.
Lesern Robert Musils ist er als jener Herrscher bekannt, dessen bevorstehendes 70-jähriges Thronjubiläum in dem Roman "Mann ohne Eigenschaften" eine bizarre Suche nach der besten Fest-Idee provoziert.
Unter dem Titel "Alles, bloß kein Kaiserschmarrn" erzählt Berthold Seewald vom letzten Tag im Leben des Habsburgers.
"Auch diesen […] verbrachte Franz Joseph am Schreibtisch, an dem er mehrfach Schwächeanfälle erlitt. Gegen 18 Uhr wurde der stark fiebernde Monarch auf Anraten der Ärzte zu Bett gebracht, um 20 Uhr war man sich sicher, dass sein Tod unmittelbar bevorstand. Seine letzten Worte waren: ‚Bitte, mich morgen um halb vier wecken; ich bin mit meiner Arbeit nicht fertig geworden.‘ Dann verlor er das Bewusstsein."
So viel zum Ende des "ewigen Kaisers", wie er zu Lebzeiten genannt wurde.
Was aber von ihm und der Habsburgmonarchie übrigblieb im Gedenken der Nachwelt, darum kümmert sich in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG der Historiker Arnold Suppan.
Wir fassen zusammen:
Des Kaisers Ruf war lange mies, seit 1989 aber wird er etwas besser, weil die Historiker – so FAZ-Autor Suppan – "dem konstruktiven Ordnungs- und Gestaltungswillen des habsburgischen Reichsgedankens einigermaßen gerecht zu werden" versuchen.
Die Überschrift sagt am knappsten, was man Franz Joseph I. eventuell positiv anrechnen könnte – nämlich: "Die Kunst des Ausgleichs."
Zurück in die Gegenwart, die oft rau genannt wird…

Aus der Schweiz kommt die Besorgnis um "unser reaktionäres Zeitalter"

Als hätte es jemals Gegenwarten gegeben, die zwischen Vergangenheit und Zukunft glatt hindurchgeflutscht wären.
Aber genau das glauben gar nicht so wenig Menschen – und deshalb wirft der New Yorker Ideen-Historiker Mark Lilla in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG einen "Blick auf unser reaktionäres Zeitalter".
"Das moderne Leben – wo auch immer auf dem Globus – ist heute von ständigen gesellschaftlichen und technologischen Transformationen geprägt und kommt in psychologischer Hinsicht der Erfahrung einer permanenten Revolution gleich. Weltweit löst dieser Prozess auch entsprechende Ängste aus. Deshalb haben reaktionäre Ideen heute allenthalben Hochkonjunktur – auch wenn sie untereinander nicht viel mehr gemeinsam haben als das Gefühl, von der Geschichte verraten worden zu sein."
Neu ist der Gedanke des NZZ-Autors Lilla nicht, originell auch nicht – aber weil er stimmig und relevant ist, haben wir ihn gern wiederholt.
Andererseits muss man feststellen, dass der durchschnittliche Gegenwartsmensch viele technologische Transformationen höchst willig mitmacht…
Und das bringt Meike Fessmann in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG im Rahmen ihrer Besprechung von Javier Marias‘ Erzählband "Keine Liebe mehr" auf zeitkritische Gedanken.
"Die Bereitschaft, den ganzen Tag ein mit Kamera und Mikrofon ausgestattetes Smartphone am Körper herum zu tragen, zeigt, dass das Gespür für Intimität im Schwinden begriffen ist. ‚Keine Liebe mehr‘ erzählt vom Verschwinden des Vergnügens, auch tatsächlich gemeint zu sein, wenn jemand etwas Vertrauliches offenbart – als würdiger Geheimnisträger, dessen Verschwiegenheit die Aura des Geheimnisses stärkt." -
Nun denn.
Am Samstag hat Borussia Dortmund, der Club, in dem laut Selbstauszeichnung noch "Echte Liebe" herrscht, Bayern München besiegt.
In der TAGESZEITUNG gibt Friedrich Küppersbusch auf die wöchentliche Standard-Frage "Und was machen die Borussen?" genau die Antwort, die auch uns auf der Zunge liegt.
"Alle Menschen lauteren Herzens sehr, sehr glücklich."
Mehr zum Thema