Aus den Feuilletons

Hauch von Rebellion täuscht

Bill Gates spricht auf einer Pressekonferenz in Berlin.
Bill Gates verkörpert die "neue Macht" © picture alliance / dpa / Bernd von Jutrczenka
Von Adelheid Wedel · 27.03.2015
In Vancouver trifft sich "die neue Macht", berichtet die "Süddeutsche Zeitung". Bei der "Ted Conference" treffen sich die Vorreiter des digitalen Zeitalters - die Bewohner des Silicon Valleys, was kein geographischer Ort mehr sei, sondern eine Geisteshaltung.
"Weltraum, Ozeane und ewiges Eis sind Neuland, das es zu erobern gilt. Selbst der Tod verliert hier seinen Stachel." Mit "hier" umschreibt Andrian Kreye in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG Vancouver und nennt es "den nordwestlichen Außenposten der amerikanischen Zivilisation", eine Art Silicon Valley. Denn eben dieses Silicon Valley, so versichert er, "ist kein geografischer Ort mehr, sondern eine Geisteshaltung, die längst die gesamte Bay Area um San Francisco erfasst hat, dazu Seattle, Texas, Brooklyn, Berlin, Tel Aviv und Seoul."
Eine Woche lang gab es in Vancouver beim Ideenfestival "Ted Conference" Kurzvorträge der jeweils führenden Wissenschaftler, Designer und Aktivisten im Sinne des Think Tank Silicon Valley. Bill Gates verkörpert - auch nach seinem Ausstieg bei Microsoft - die Zentralfigur dieser Welt der Klugen, Reichen und Mächtigen des digitalen Zeitalters.
"Das Lebensgefühl eines Mannes, für den offensichtlich nichts unmöglich ist, mag beneidenswert sein," schreibt Kreye und: "Seuchen und Armut sind Probleme, für die es Lösungen geben muss. Mehr Optimismus geht nicht." Verwundert registriert der Autor: "Der neuen Macht fehlen die Insignien, die Limousinen und Bodyguards Washingtons, der Glamour Hollywoods oder die Exzesse der Wall Street und des Rock'n'Roll."
Stattdessen registriert er "einen Hauch von Rebellion und Sozialismus, der allerdings täusche." Eindeutig hingegen charakterisiert Kreye das Manifest "Destiny" des Silicon Valley, das sich nicht mit den Ländern dieser Erde begnüge. "Die hat es mit seiner Soft- und Hardware längst erobert. Nein, es sind neben dem Weltraum und den Meeren jede Minute im Leben des Menschen, jede Zelle seines Körpers, sein Geist und letztlich auch seine Seele zu erobern."
Bruderzwist der europäischen Kultur
Ein Porträt von Adam Zagajewski bei der 54. Internationalen Buchmesse in Warschau.
Ein Porträt von Adam Zagajewski.© picture alliance / dpa / Grzegorz Jakubowski
Über "Bruderliebe und Bruderzwist" am Beispiel von Heinrich und Thomas Mann sprach der polnische Schriftsteller Adam Zagajewski an diesem Freitag in der Berliner Akademie der Künste. Dort erhielt er den renommierten Heinrich Mann-Preis für Essayistik. Der 1945 im heute ukrainischen Lemberg geborene Zagajewski studierte in Krakau, ging 1981/82 über Westberlin und die USA ins Pariser Exil. Seit 2007 lehrt er Literatur an der University of Chicago. Im TAGESSPIEGEL kann man in seiner gekürzten Dankesrede auf den Preis lesen: "Im Streit und in der Spannung zwischen den beiden Brüdern offenbarte sich die tiefe Gespaltenheit der europäischen Kultur, der Widerstreit zwischen zwei gegensätzlichen Traditionen, die mal liebevoll, mal hasserfüllt miteinander rangen und eigentlich bis heute miteinander ringen. Es bleibt die Spannung zwischen dem Erbe der Aufklärung und der romantischen Sehnsucht, die manchmal eine religiöse Färbung annimmt."
Eintauchen in die englische Kultur

Sir Simon Rattle
Sir Simon Rattle© Imago
In der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG unterhält sich Eleonore Brüning mit dem Dirigenten der Berliner Philharmoniker Sir Simon Rattle. "Seit bekannt wurde, dass er bald nach London wechselt, fragen sich alle, warum," formuliert sie den Anlass für das Gespräch, in dem Rattle Bilanz zieht und in die Zukunft blickt. "Wirklich wichtig im Leben ist es, dass man weiß, wann es genug ist. Ich wollte diesen Zeitpunkt nicht verpassen," sagt Rattle. Und: er bleibe den Philharmonikern als Gastdirigent verbunden. Gleichzeitig freue er sich auf London, denn das bedeute für ihn, "dass er wieder eintauchen kann in seine eigene Kultur als Engländer."
Gedichte gegen die Geschwätzigkeit

Der schwedische Autor und Literaturnobelpreisträger Tomas Tranströmer auf der Lit.Cologne 2012
Tomas Tranströmer© picture alliance / dpa / Marius Becker
Im Nachruf auf den großen schwedischen Lyriker und Literaturnobelpreisträger Tomas Tranströmer hebt Dorothea von Törne in der Tageszeitung DIE WELT hervor, "der Geschwätzigkeit des Zeitgeistes setzte er immer knapper, klarer und präziser werdende Gedichte entgegen. Seine Gedichte schließen konkrete Dinge und Verhältnisse ein, benennen die Risse der Zeit und strahlen dennoch eine große musikalische Ruhe aus. Tranströmer hat das Gedicht als 'Kommunikationsknotenpunkt' entworfen, als zwischen zwei Begriffen schwebendes Drittes, für das es kein Wort gibt."
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