Aus den Feuilletons

Geraubte Kunst und Bürgerrechte

Von Adelheid Wedel · 10.01.2014
Eine Stiftung, die zum freiwilligen Ausgleich für in der Nazi-Zeit geraubte Kunst animieren will, beschäftigt die "TAZ". Die "SZ" erinnert an den verstorbenen schwarzen Bürgerrechtler Amiri Baraka.
"Nazi-Erbe sollte man zurückgeben", sagt Hilde Schramm, die Tochter Albert Speers. Bereits 1994 hat sie dazu eine Stiftung ins Leben gerufen, von der sie im Interview mit der Berliner Tageszeitung TAZ spricht. Brigitte Werneburg fragt sie und Sharon Adler, die Stiftungsvorsitzende, nach den Motiven der Gründung und nach ihrem Wirken.
"Mein Vater hatte eine Kunstsammlung, hauptsächlich Romantiker. Er hat die Bilder zwischen 1933 und 1943 erworben, mit Geld, das er erhalten hat, indem er einem Staat diente, in dessen Unrechtssystem er in führender Position tätig war. Ich wollte nicht ein Erbe antreten, das auf Unrecht beruht."
Darüber habe sie mit anderen Frauen diskutiert, und dabei entstand die Idee der Stiftung. Sharon Adler ergänzt:
"Es geht bei unserer Stiftung 'Zurückgeben' selten darum, dass Leute ein Gemälde von der Wand nehmen müssten. Es geht darum, dass man als Erbe eine symbolische Summe spendet und sie zur Verfügung stellt."
Wir fördern damit jüdische Künstlerinnen und Wissenschaftlerinnen, die in zweiter, dritter oder vierter Generation von der Schoah betroffen sind. Hilde Schramm fasst das Stiftungsanliegen zusammen:
"Es geht um das Zurückgeben von Lebenschancen. Um Anteilnahme. Um den Wunsch, wenigstens heute jüdischen Frauen ein selbstbestimmtes Arbeiten und Leben in Deutschland zu ermöglichen."
Wie erfolgreich ist Ihre Stiftung, wird die Gründerin gefragt. Sie antwortet:
"Damals vor 20 Jahren waren wir optimistisch. Aber unsere Hoffnungen haben sich nicht erfüllt. Wir haben keine großen Zustiftungen erhalten, allerdings immer wieder kleinere und größere Spenden."
Durch den Fall Gurlitt ist die Frage nach der Raubkunst wieder ins öffentliche Bewusstsein gerückt. Das kommentiert Hilde Schramm:
"Die Beraubung der Juden und die vielen Formen der Vorteilsnahme erhielten erstaunlich spät eine öffentliche Aufmerksamkeit. Man muss die Gesetzeslage ändern, das ist überhaupt gar keine Frage."
Ihre Stiftung aber funktioniere als Gegenmodell zum Gesetz,
"weil sie zum Zurückgeben appelliert: zum Zurückgeben aus freien Stücken, jenseits von gesetzlichen Verpflichtungen und Fristen."
"Wie ging es zu unter den Kunsträubern der NS-Zeit?"Auf diese Frage gibt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG eine Antwort und verweist auf ein schmales Bändchen, das bereits 1947 unter dem Titel "Wir lebten in Berlin" erschien. Darin schildert Hannelore Holtz sehr konkret den Alltag des Kunsthändlers Adolf Hitlers, Karl Haberstock, für den sie als 17-Jährige als Assistentin arbeitete. Was also waren das für Menschen?
"Es waren ausgebildete Kunsthistoriker, Museumsdirektoren, Galeristen, die sich nicht scheuten, in den besetzten Gebieten öffentliche und private Sammlungen zu plündern, die geschickt die Notlage jüdischer Sammler ausnutzten und skrupellos auf Auktionen und in Lagern beschlagnahmter Meisterwerke ihre Geschäfte anbahnten."
Die heute 89-jährige Zeitzeugin Holtz lebt inzwischen in Kalifornien und wundert sich, "dass sie nie jemand zu ihrer Reportage befragt hat",zumal – wie sie versichert – "die Zitate in dem Buch alle echt sind."
"Der schwarze Bürgerrechtler und Beat-Poet Amiri Baraka ist tot",meldet die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG. In seinem Nachruf schreibt Karl Bruckmaier:
"Amiri, 1934 im afroamerikanisch dominierten Newark geboren, wird mal als Hitzkopf, als Ideologe, als Antisemit, als Frauenfeind, als panafrikanischer Eiferer beschrieben."
Bruckmaier nennt ihn"einen aus der Zeit gefallenen und oft aus der Rolle fallenden Sprecher des schwarzen Amerika."Die ersten Kapitel seiner in den Achtzigern im Gefängnis geschriebenen Autobiografie "geben einen tief liebenden Blick auf Afroamerika frei – und dass diese Welt versank, das hat er nie verwunden. Amiri suchte nach dieser Welt in der Musik. Auch Jazz und Blues entglitten ihm, wurden Teil der weißen Populärkultur und damit der lebenslangen Verlustbilanz." Der "revolutionäre Optimist" starb an diesem Donnerstag im Alter von 79 Jahren.