Aus den Feuilletons

"Es gibt keine Sammlung Gurlitt"

Christoph Schäublin, Stiftungsratspräsident des Kunstmuseums Bern, am 24.11.2014 in Berlin bei der Pressekonferenz zur Unterzeichnung der Vereinbarung zum Nachlass des Kunstbesitzers Cornelius Gurlitt.
Christoph Schäublin, Stiftungsratspräsident des Kunstmuseums Bern, ist sich der Verantwortung bei der Nachlass-Übernahme bewusst. © picture alliance / dpa / Britta Pedersen
Von Hans von Trotha · 24.11.2014
Wenn "SZ" und "FAZ" dieselbe Überschrift haben, dann muss es schon ein besonderes Thema sein: die Pressekonferenz des Berner Museums zu Gurlitt. Nicht einer Meinung sind die Zeitungen allerdings bei der Deutung der Situation.
"Zeit ihres Bestehens hat die Bundesrepublik Wert darauf gelegt, politisch nicht besonders aufzufallen", stellt Franziska Augstein in der Süddeutschen fest. "Man war froh, wirtschaftlich gut abzuschneiden, und hielt sich im Übrigen am liebsten und fast immer im Schatten der Vereinigten Staaten."
Doch immer Wegducken, das ging schon damals nicht. Irgendwann fällt jeder auf.
"In einer Hinsicht indes", fährt Augstein fort, "hatte Westdeutschland denn doch eine Sonderstellung: Nirgends in Westeuropa war der Antikommunismus so ausgeprägt. Das lag an der Zweiteilung des Landes und daran, dass die vorbildhaften USA ebenfalls vom Antikommunismus durchdrungen waren."
Augstein berichtet von einer Jenaer Tagung zum Thema. Ihr Fazit: "Endlich – der Antikommunismus darf thematisiert werden".
Da gibt es kein Wegducken
Anderes dagegen muss thematisiert werden, da gibt es kein Wegducken, wirft es doch ein so grelles Schlaglicht auf die deutsche Kultur, dass die ganze Welt hinschaut. Die Rede ist vom Feuilleton nach Gurlitt.
"Der lange Weg des Erbes", steht über Kerstin Krupps Beitrag in der Berliner Zeitung zur Gurlitt-Pressekonferenz, in dem sie der Kulturstaatsministerin attestiert: "Tatsächlich hat sich in der deutschen Politik nie zuvor jemand so energisch für die Aufarbeitung und Wiedergutmachung des Kunstraubs der Nationalsozialisten eingesetzt wie Monika Grütters."
Jetzt hat die in der Frage der Rückgabe von Raubkunst ein Machtwort gesprochen, das so sehr nachhallt, dass es – und das kommt wahrlich nicht allzu oft vor – zu wortgleichen Feuilleton-Aufmachern in der Süddeutschen und in der FAZ führt: "Ohne Wenn und Aber".
In der Wertung der Pressekonferenz allerdings und in der Stilkritik sind sich die beiden Feuilleton-Platzhirsche nicht so einig.
Eine Regelung, die Maßstäbe setzen könnte
"Auf diese Pressekonferenz haben alle gewartet", setzen Julia Voss und Niklas Maak in der FAZ optimistisch an, um dann doch noch in den Konjunktiv abzusacken: "Im Fall Gurlitt haben Deutschland und die Schweiz eine Regelung gefunden, die Maßstäbe setzen könnte."
Aber nicht nur Deutschland und die Schweiz haben verhandelt. "Es trat", lesen wir, "schließlich der bayerische Justizminister Winfried Bausback vor eine Quadriga aus vier Fahnen: eine europäische, eine deutsche, eine schweizerische und, als handle es sich um einen eigenen souveränen Staat, eine bayerische Flagge."
In der Süddeutschen prangt das Grüttersche "Ohne Wenn und Aber" über einer pessimistischeren Version: "Lächeln nur auf Halbmast und Erfolgsrhetorik nur mit Dämpfer", beobachtet Jörg Häntzschel auf der Pressekonferenz, und: "Selten sind Berufsoptimistenwie diesen in 45 Minuten so viele Variationen des Worts `Schwierigkeiten´ eingefallen." Dann wieder die Fahnen: "Und als am Ende vor den Fahnen von Europa, Deutschland, der Schweiz und Bayern das Gruppenfoto fällig war, gerieten die Beteiligten auf dem Podium ins Stolpern."
Krieg der Erben und Enterbten
Weiter relativiert Ira Mazzoni im gleichen Blatt: "Es gibt … keine `Sammlung´ Gurlitt, sondern die exquisiten Lagerbestände eines kenntnisreichen, gewandten Händlers." Und Andreas Zielcke sieht schwarz. Ja, er sieht einen "posthumen Krieg" aufziehen.
"Nun ist es so weit", schreibt er im Duktus des Tragöden, der nur die schiefe Ebene nach unten kennt. "Das Museum hat die Erbschaft angenommen, die Cousine Gurlitts den Erbschein beantragt. Nur einer von beiden kann recht haben. Die Konstellation ist klassisch."
Meint er tragisch?
"Von Anfang an, seitdem jedermann erlaubt wurde, selbst über seinen Nachlass zu verfügen, stand der Krieg der Erben und Enterbten im Raum. Schauplatz für den Kampf um Gurlitts Erbe wird das Nachlassgericht in München sein."
Darum die Bayerische Fahne. Nicht deutsches und nicht europäisches, schon gar nicht schweizerisches – nein das bayerische Recht wird den von Zielcke beschworenen Erbfolgekrieg zu beenden haben. Und hoffentlich steht sie dann noch, die Losung der Feuilletons des Tages: "Ohne Wenn und Aber".
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