Aus den Feuilletons

Ernst Nolte und die Sprache des Kalten Krieges

Ernst Nolte posiert in einer Bibliothek in Paris
Der Historiker Ernst Nolte im Jahr 2002 in Paris. © AFP / Daniel Janin
Von Klaus Pokatzky · 18.08.2016
Mal mehr, mal weniger kritisch würdigen die Feuilletons den verstorbenen Historiker Ernst Nolte. Die NZZ unterstreicht dessen Gelehrsamkeit und Präzision, während es in der Berliner Zeitung heißt: "Es war der Kalte Krieg. Ernst Nolte sprach dessen Sprache."
"Ein alter Mann auf dem Friedhof wird von einem jüngeren Bekannten mit den Worten begrüsst: 'Für dich lohnt es sich ja kaum noch, nach Hause zu gehen.'"
Diesen englischen Witz erzählt uns die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG.
"In England findet man das witzig, und auch der Angesprochene reagiert erheitert", führt uns Marion Löhndorf in den schrägen britischen Humor ein.
"Niemand, der sich scherzhaft über einen Gegenstand äussert, wird in Grossbritannien als unseriös angesehen, im Gegenteil."
Humor ist, wenn man trotzdem lacht.

Die Sprache der Sportreporter in Rio

"Da rollt die Mongolin die Deutsche durch." So zitiert die BERLINER ZEITUNG einen deutschen Fernsehreporter zum Ringkampf zwischen Orkhon Purevdorj und Luise Niemesch bei den Olympischen Spielen in Rio.
"Isabell ist die hellste Kerze in der Kathedrale des Reitsports." Das meinte ein anderer Sportkommentator zur Dressurreiterin Isabell Werth.
Die beiden Reiterinnen in voller Montur zeigen vor einem bunten Backdrop mit der Aufschrift "Rio 2016" lächelnd ihre Medaillen.
"Die hellste Kerze in der Kathedrale des Reitsports" - so ein Kommentator über die Silbermedaillengewinnerin im Dressurreiten, Isabell Werth (li.), Daneben Kristina Broering-Sprehe (Bronze). © dpa / Friso Gentsch
"Noch nie wurde so viel über Sport geredet. Was heißt geredet – es wurde geschrien, gejammert, gejubelt, gebarmt", freut sich in der BERLINER ZEITUNG Frank Junghänel, der davon gar nicht genug bekommen kann.
"Und falls beim nächsten Mal Fünflinge synchron vom Dreimeterbrett hüpfen, möchte ich wieder live dabei sein."
Das ist eben deutscher Humor.

Das "Lied der Deutschen" - eine trügerische Hoffnung

"Ich entwickelte eine bemerkenswerte Fähigkeit im Entstöpseln des Champagners." Das ist wieder ein Zitat – aber nicht aus dem Munde eines schreienden, jammernden, jubelnden Sportreporters: auch, wenn es so klingt.
"Im August 1841 schrieb August Heinrich Hoffmann von Fallersleben auf Helgoland sein berühmtestes Gedicht", erinnert uns die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG an ein Jubiläum der wirklich schönen Art, wie vor 175 Jahren auf dem damals britischen Helgoland bei reichlich Champagnerkonsum das entstand, was heute unsere Nationalhymne ist: Das "Lied der Deutschen".
Leuchtturm auf der Insel Helgoland
Leuchtturm auf der Insel Helgoland © imago/blickwinkel
"Nach der Reichsgründung des Jahres 1871 lehnte das preußische Herrscherhaus das Lied als zu republikanisch ab", schreibt der Historiker Thomas Schuler in einem wunderbaren Text. Zur Nationalhymne wurden Fallerslebens Verse erst 1922. "Die politisch Verantwortlichen der Weimarer Republik hegten die trügerische Hoffnung, dass durch die im Lied beschworene Einigkeit die extreme Rechte in den bedrohten demokratischen Staat integriert werden könnte."
Eine sehr trügerische Hoffnung.

Ernst Nolte: Oft hart und unfair angegriffen

"Ein Geschichtsphilosoph ist er, mit gewissem Unterton, genannt worden", lesen wir im Berliner TAGESSPIEGEL: "Angesichts seines Lebenswerks stellt es eine Auszeichnung dar".
Alle Feuilletons würdigen den jetzt im Alter von 93 Jahren verstorbenen Historiker Ernst Nolte. "Seine Bücher werden bleiben, seine Fragestellungen ohnehin", meint Bernhard Schulz.
"Nolte ist oft hart und nicht immer fair angegriffen worden", erinnert die NEUE ZÜRCHER an den Historikerstreit der achtziger Jahre.
"Es war der Kalte Krieg. Ernst Nolte sprach dessen Sprache", heißt es im Nachruf der BERLINER ZEITUNG.

Leben zwischen den Weltbürgerkriegen

"Seine Gelehrsamkeit und seine analytische Präzision wurden aber stets anerkannt", schreibt Christoph Jahr in der NEUEN ZÜRCHER: "Seine Auftritte in rechtskonservativen Kreisen trugen dazu bei, dass die Einschätzung Noltes in Deutschland stark von der Parteien Hass und Gunst beeinflusst wurde, während er vor allem in Italien bis in die jüngere Gegenwart hinein ein aufgeschlossenes Publikum fand."
Und Arno Widmann sehr kühl in der BERLINER ZEITUNG: "Nolte war ein Gegner von Faschismus, Kommunismus und Demokratie. Er lebte zwischen den Weltbürgerkriegen."
Schließen wir versöhnlich. "Eine humorvolle Sicht auf die Welt mildert die negativen Seiten der Wirklichkeit ab", steht noch in der NEUEN ZÜRCHER zum britischen Humor: "Der Mensch ist unzulänglich, und darüber lässt sich lachen."
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