Aus den Feuilletons

Eisbärmafiosi gegen Hasen-Cops

Von Gregor Sander · 02.03.2016
In der FAZ lobt Dietmar Dath den Animationsfilm "Zoomania" als "wuselwildes Drama", das nicht eine Sekunde "nach Pädagogik müffelt". Die "Welt" hingegen weiß von einem bisher unveröffentlichten Roman von Siegfried Lenz.
Als Erziehungsberechtigter muss man sich im Kino mit den lieben Kleinen wirklich viel Schrott ansehen. Umso erfreulicher klingt ein Versprechen von Dietmar Dath in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG, nämlich:
"Dass Erwachsene froh sein dürfen, wenn ihre Kinder sie in diesen Film mitnehmen."
Gemeint ist der Animationsfilm "Zoomania", in dem eine kleine Häsin zur Polizei geht, die ansonsten von Bären, Nashörnern und anderen Großwildtieren beherrscht wird. Kann das gut gehen? Unbedingt, meint Dath.
"Derart dichte Schwärme von sight gags hat nicht mal Pixar in jeder Produktion freigelassen: Eisbärmafiosi, die einem winzigen Rattenpaten gehorchen; ein FKK-Club für Tiere, die wenigstens in ihrer Freizeit keine Kleider tragen wollen."
Klingt lustig, aber auch ein bisschen kompliziert. Doch:
"Dies alles ist mit leichtester Pfote in ein wuselwildes Drama eingebettet. Die Bildsprache dazu schwingt elegant vom Drolligen zum Pathos und zurück, nicht eine Sekunde müffelt der Film nach Pädagogik."

Experimental-Pop aus Bhutan

Dass dieser Disney-Film weltweit gesehen wird, scheint also eine gute Seite der Globalisierung zu sein. Jörg Scheller von der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG hat noch eine entdeckt, auch wenn er erst einmal feststellt:
"Es ist eine Ironie der Globalisierung, dass wir ihre Folgen oft durch die Brille des Nationalen betrachten: Wie geriet diese ulkige Molluske aus dem Stillen Ozean auf mein Meissner Porzellantellerchen? Welche Auswirkungen hat der Yen-Kurs auf die Auftragslage der deutschen Schnellverschlusskupplungssystemehersteller?"
Aber welche Auswirkungen hat die Globalisierung beispielsweise in Asien oder Afrika? Scheller hat hier einen Reiseführer entdeckt:
"Das Schweizer Netzwerk Norient 'für lokale und globale Klang- und Medienkultur' leistet da mit dem Buch 'Seismographic Sounds' vorzügliche Pionierarbeit und öffnet Türen zu Tonstudios im Sudan oder in Uganda, widmet sich internetinspiriertem Experimental-Pop aus Bhutan, stellt Zulu-Science-Fiction-Rap aus Südafrika vor und thematisiert die Vermarktung von Musik in globalen Zusammenhängen."

Wieso Siegfried Lenz' zweiter Roman unveröffentlicht blieb

Dass die Schweizer dies heute noch mit einem gedruckten Buch tun, ist da fast schon rührend. Das war 1951 noch anders, als Siegfried Lenz' zweiter Roman erscheinen sollte. Er heißt "Der Überläufer" und handelt von einem Wehrmachtssoldaten, der sich der Roten Armee anschließt und seine ehemaligen Kameraden nun als Partisan bekämpft.
Doch bei Lenz' Verlag in Hamburg bekam man damals kalte Füße, wie Barbara Möller in der Tageszeitung DIE WELT berichtet:
"Der Germanist Otto Görner, den Hoffmann und Campe als Lektor hinzugezogen hat, liest Lenz die Leviten: '... der Roman müsste tatsächlich den Titel 'Der Überläufer' tragen – und das wäre unmöglich. Ein solcher Roman hätte 1946 erscheinen können ... Sie können sich maßlos schaden."
Lenz nahm dies tatsächlich hin und blieb trotzdem ein Leben lang bei Hoffmann und Campe. Zu Lebzeiten hat er das Manuskript allerdings nicht mehr herausgegeben und so erscheint es nun posthum, sehr zur Freude der Kritikerin Möller:
"'Der Überläufer' hat nichts mit den mühsam aus Nachlässen zusammengebastelten und entsprechend anämischen Büchern zu tun, mit denen sich der Literaturbetrieb immer wieder konfrontiert sieht. 'Der Überläufer' ist kraftvoll und aufregend. Er lässt eine Zeit plastisch wiedererstehen, die hinter all den Schuldaufarbeitungs- und Wiedergutmachungsanstrengungen versunken war."

Kampfhund Erinnerung

Wenn Benjamin von Stuckrad-Barre eine Autobiografie veröffentlicht, dann fragt man sich natürlich automatisch: Was waren dann die anderen Bücher? Diese Frage beantwortet Klaus Bittermann in der TAZ nicht, aber zu "Panikherz", das jetzt erscheint, schreibt er:
"Stuckrad-Barre hat den Kampfhund Erinnerung gereizt, und herausgekommen ist ein großes Buch, ein Buch, das bleiben wird, weil er sein Leben in die Waagschale geworfen hat, um Ruhm und Erfolg zu erlangen."
Was das eine mit dem anderen zu tun hat bleibt ein Rätsel, das die Kritik nicht löst, aber es klingt auf jeden Fall gut.
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