Aus den Feuilletons

Ein Solo für den Genossen Herausforderer

Martin Schulz, designierter Kanzlerkandidat der SPD, aufgenommen am 29.01.2017 im Gespräch mit Moderatorin Anne Will während der ARD-Talksendung "Anne Will" zum Thema "Der Kandidat - Können Sie Kanzler, Herr Schulz?" in den Studios Berlin-Adlershof.
Martin Schulz, designierter Kanzlerkandidat der SPD, aufgenommen im Gespräch mit der Moderatorin während der ARD-Talksendung "Anne Will" © picture alliance / dpa / Karlheinz Schindler
Von Hans von Trotha · 30.01.2017
Das Feuilleton guckt fern: Der Soloauftritt des SPD-Kanzlerkandidaten bei "Anne Will" im Ersten habe der Abwesenheit von Journalismus ein Gesicht gegeben, lesen wir in der "FAZ". Die "Taz" hat einige Tipps für den "Genossen" Martin Schulz parat.
In den USA wird Politik neuerdings über Twitter gemacht. Im Rest der Welt immer noch übers Fernsehen. Also muss man in Wahljahrjen furchtbar viel fernsehen. Oder man liest die Feuilletons. Dann kann man Abends was Schönes machen und andere für sich glotzen lassen. Barbara Nolte zum Beispiel. Die hat am Sonntag für den TAGESSPIEGEL nicht nur "Anne Will" mit Martin Schulz gesehen, sondern vorher schon "Was nun Herr Schulz?" mit Martin Schulz:
"Zum zackigen Interviewstil von (Bettina) Schausten und (Peter) Frey gehörte, dass sie (Schulz´) fast reflexhaft ausgestoßenen Antworten meist stehenließen und mit dem nächsten Thema weitermachten. Praktisch für Schulz, der die heikle Frage einfach übergehen konnte, wie er, der sich als derjenige darstellt, der für Gerechtigkeit sorgen will, zur Agenda 2010 steht. Anne Will", fährt Barbara Nolte fort, "verfolgte die gegenteilige Gesprächsstrategie. Sie bohrte nach, was ebenfalls nicht besonders erkenntnisreich geriet."

Anne Will macht sich ganz klein

Das findet Michael Hanfeld, gelinde gesagt, auch. Der hat für die FAZ geguckt und schreibt:
"Für Martin Schulz macht sich Anne Will ganz klein ... Die Abwesenheit von Journalismus, wo er dringend geboten wäre, an diesem Abend bekommt sie ein Gesicht. Ein Trauerspiel, man muss es gesehen haben, sonst glaubt man es nicht. Ein Solo für den gefühlten Kanzler der Bundesrepublik Deutschland, der redet wie Trump und sich aufführt wie ein König."
"Schulz, so scheint es, ist ein Erregungsredner mit diplomatischen Nebenqualifikationen"
"Genosse Schulz, man beobachtet dich jetzt."
Akrap hat ein paar Tipps für den Genossen Herausforderer parat:
"Der Herausforderer Schulz spricht fehlerfrei, ohne 'Äähs' und ohne Genuschel (Genosse Schulz, dein Deutsch muss so gut sein wie das Englisch der Petry). ... Der Herausforderer sagt, dass er was für die Menschen tun will, die `hart schuften´ ... (Genosse Schulz, immer schuften sagen, nie arbeiten.) ... Wenn es politisch wird, zeigt der Herausforderer seine persönliche Seite und erzählt von seinem Nachbarn in Würselen. (Genosse Schulz, sag, dass du im Herzen immer Würselener geblieben bist.) ... Und weil die, die schuften und schuften, ein klares Feindbild brauchen, hat der Herausforderer ihnen eines gegeben: die Steuerflüchtigen und die Top-Manager. (Genosse Schulz, nie sagen, dass die SPD auch an der Regierung ist. Nie sagen, dass Hartz IV schuld ist. Immer Manager sagen. Und Boni. Und Steueroasen. Nie Hartz IV sagen. Merk dir das!)"
So ganz scheint der Genosse Herausforderer die Genossin Akrap noch nicht zu haben, sonst würde sie wahrscheinlich nicht schreiben:
"'Deutschland braucht eine Erneuerung', meint der Herausforderer. (Genosse Schulz, auch sehr gut. Das haben zwar der Hitler und der rechte Chilene auch schon gesagt. Aber damit sind die auch durchgekommen. Make Würselen great again)."

Aufregung um Chavez-Telenovela

Apropos der rechte Chilene. Da ist ja Venezuela ganz in der Nähe, also zumindest geografisch. Und in Chile kann man jetzt im Gegensatz zu in Venezuela eine ganz andere Art von Politik im Fernsehen sehen. Auch Telenovelas können politisch sein.
"In ganz Südamerika startet eine Serie über das Leben von Hugo Chávez",
erzählt Matthias Rüb in der FAZ, um in gutem Asterix-Stil fortzufahren:
"In ganz Südamerika? Nicht ganz: Venezuelas Regierung fürchtet, die Telenovela könnte ihr den Todesstoß versetzen. ... Präsident Maduro erwähnte (sie) sogar in seiner Rede zur Lage der Nation ... . Er bezeichnete die Serie als 'veritablen Müll', deren Ziel es sei, mit 'kriminellen Lügen' das Andenken eines 'gigantischen Mannes wie Hugo Chávez' zu beschmutzen. Dagegen gelte es die 'profunde Wahrheit' über Leben und Wirken von Hugo Chávez zu setzen. Deshalb werde das venezolanische Staatsfernsehen bald mit der Produktion einer eigenen Serie über das Leben und Wirken des Comandante beginnen, versprach Maduro."
Da sieht man mal, wie gut wir es haben, dass wir nur Talkshows mit unserer Politprominenz über uns ergehen lassen müssen. Auch wenn Martin Schulz an seinem ersten Wochenende als Genosse Herausforderer schon so viel von sich erzählt hat – und zwar weil, wie wir von Michael Hanfeldt gelernt haben, Anne Will ihn nicht unterbrochen hat – dass man da schon einen Zwei- oder Dreiteiler vollkriegen würde. Wie wär´s mit: "Christus kam nur bis Würselen"?
Mehr zum Thema