Aus den Feuilletons

Ein Mann wie ein Baum

Sechs Meter hoher Eisenbaum - eine Installation des chinesischen Künstlers Ai Weiwei im Yorkshire Sculpture Park in Yorkshire (Großbritannien).
Sechs Meter hoher Eisenbaum - eine Installation des chinesischen Künstlers Ai Weiwei im Yorkshire Sculpture Park in Yorkshire (Großbritannien). © picture alliance / dpa / EPA / LINDSEY PARNABY
Von: Klaus Pokatzky · 04.08.2015
Ai Weiwei fühlt sich inzwischen etwas freier in China. "Ich bin wie ein Baum, ich wachse", meint er in der "Süddeutschen Zeitung" - und zeichnet ein differenziertes Bild von seinem Heimatland.
"Ich bin wie ein Baum, ich wachse." Das klingt nach einem schönen chinesischen Sprichwort. Oben ist der Kaiser, unten eine gesichtslose Masse. Das sagt der chinesische Künstler Ai Weiwei im Interview mit der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG über die Lage in seinem Heimatland – aber er sagt auch: "Die Atmosphäre ist offener". 81 Tage saß Ai Weiwei in Haft, es folgten Hausarrest und Reiseverbot; doch nun darf er Deutschland bereisen und auch sonst fühlt er sich freier.
"Die Restriktionen werden immer lockerer. Sie haben etwa meine Ausstellungen in China nicht verhindert. Allein in den letzten zwei Monaten waren es fünf. Sie beobachten sie, aber schreiten nicht ein." Ai Weiwei zeichnet ein sehr differenziertes China-Bild. Er lobt die ökonomischen Leistungen des Landes und warnt zugleich: "Das Bedürfnis nach Freiheit kann es nicht stillen. Irgendwann wird der Druck zu groß und alles explodiert."
Der chinesische Künstler Ai Wei Wei
Der chinesische Künstler Ai Wei Wei© Barbara Bentley/dpa
Und er sieht Fortschritte im Verhalten der kommunistisch-kapitalistischen Kaiser gegenüber Abweichlern. "Es gibt Fälle von ziemlich totalitärem Vorgehen. Doch es ist ganz anders als bei meiner Verhaftung. Man klärt die Festgenommenen über die Vorwürfe gegen sie auf. Über ihre Behandlung entscheiden Gerichte. Die Behörden bewegen sich nicht mehr außerhalb des Gesetzes." Nun warten wir nur noch darauf, dass die Gesetze irgendwann rechtsstaatlich gestrickt werden; die Hoffnung stirbt zuletzt – und Optimismus lohnt; das sehen wir schließlich gerade bei der anderen Supermacht.
US-Präsident Obama gestikuliert und spricht dabei in ein Mikrofon am 03.08.2015
US-Präsident Obama stellt den "Clean Power Plan" vor© AFP / Jim Watson
"Coverboy des Klimaschutzes", lobt die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG den amerikanischen Präsidenten, den "Klimaretter Obama", der beim aufsehenerregenden ökologischen Durchmarsch ist, wie Joachim Müller-Jung befindet – nachdem das Weiße Haus die allerstriktesten Klimaschutzregeln angekündigt hat. "Die Zeiten sind längst vorbei, da sich der gebildete Amerikaner dahin verstieg, als hartgesottener patriotischer und mithin industriehöriger Klimamuffel durch die Welt zu reisen. Im Gegenteil: Seit Obama die Klimadebatte weniger als das Gezänk von Apokalyptikern, denn als kreativen Prozess der Weltverbesserung auffasst, hat sich in den amerikanischen Köpfen einiges verändert."
Doch vergessen wir die Kleinen nicht. "Stirbt das Isländische aus?", fragt die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG besorgt. "Einen Wirbel löste kürzlich ein Bericht über das isländische Finanzsystem aus, den der Vorsitzende der parlamentarischen Finanzkommission im Auftrag des Premierministers verfasst hatte – und zwar auf Englisch, teilt uns Aldo Keel mit. Ex-Aussenminister Skarphedinsson vermutet, bestenfalls jeder dritte Minister verstehe den in schwierigem Ökonomen-Englisch verfassten Bericht zumindest teilweise." Das ist nicht nur im kleinen Island so; auch bei uns versteht nur jeder dritte Minister, was unsere Ökonomen in ihrem Denglisch so faseln. Bestenfalls. Zumindest teilweise.
Der deutsche Kameramann und Autor Michael Ballhaus, aufgenommen am 22.03.2014 in Köln (Nordrhein-Westfalen) im Rahmen des internationalen Literaturfestival lit.cologne. 
Der deutsche Kameramann und Autor Michael Ballhaus© picture alliance / dpa / Horst Galuschka
"Meister des magischen Auges", lobt der BERLINER TAGESSPIEGEL einen Jubilar, den jeder verstehen kann: bis heute der international erfolgreichste deutsche Kameramann, wie Gunda Bartels über Michael Ballhaus schreibt, der "in 50 Karrierejahren rund 80 Kinofilme sowie zahlreiche Fernsehfilme und Dokumentationen drehte." Achtzig Jahre alt wird er nun. "Ballhaus hat sich mit seiner Kamera immer in den Dienst der Geschichten der Filme gestellt und trotzdem einen ganz unverkennbaren Stil entwickelt", meint Verena Lueken in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN. "Das direkte Beobachten der Schauspieler ging ihm in Fleisch und Blut über", bilanziert Susan Vahabzadeh in der SÜDDEUTSCHEN und nennt Schauspieler und Regisseure: "Scorsese, Volker Schlöndorff, Robert Redford. Nur mit Fassbinder ist nicht einmal er ausgekommen."
Glückwunsch!
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