Aus den Feuilletons

Ein Kunstmuseum als Aufreger

Es ist entschieden: Das Museum der Moderne in Berlin wird vom Schweizer Architekturbüro Herzog & de Meuron gebaut
Es ist entschieden: Das Museum der Moderne in Berlin wird vom Schweizer Architekturbüro Herzog & de Meuron gebaut © picture alliance / dpa / Sophia Kembowski
Von Adelheid Wedel · 28.10.2016
Der Siegerentwurf für das Museum der Moderne in Berlin spaltet die Feuilletons. Während die "Welt" den Mut zum Archetypus lobt, lästert die "SZ" über eine architektonische Unverschämtheit.
"Herzog und de Meuron bauen das Museum der Moderne in Berlin", das ist der Renner in den Feuilletons vom Wochenende. "Gekürt wurde der Mut zum Archetypus und der cleverste Entwurf", lobt die Tageszeitung DIE WELT. "Eine Unverschämtheit in Backstein", mosert die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG und die BERLINER ZEITUNG spricht von einer "Kunst-Scheune".
An dieser knappen Aufzählung merken wir, die Auffassungen über den Sieger beim Wettbewerb gehen auseinander. Auch die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG hält sich bedeckt. Niklas Maak formuliert: "Kein Desaster, aber…", und er stellt die Frage: "Soll Berlin ländlich werden?"
In der TAZ fallen Begriffe wie "Reithalle, Bahnhof oder Depot". Ronald Berg meint, das Baseler Architekturbüro gibt bei seinem Siegerentwurf die naheliegendsten Assoziationen selbst vor:
"Die Kunstscheune aus netzartig vermauerten Backsteinen in der Fassade bedient keine der derzeit gängigen Moden. Es ist weder retro noch modernistisch. Ein schlichtes Haus soll es nach dem Willen der Architekten sein, das in erster Linie praktisch funktioniert wie eine Lagerhalle, deren Form es nicht scheut. Am neuen Museum dominiert", wie es Herzog formuliert, "die Idee des Tempels, ein Ort der Stille und des Nachdenkens, und der backsteinernen Lagerhalle als ein Ort der Vorräte und der Nahrung wie ein landwirtschaftlicher Betrieb".
Maak kommentiert:
"So gesehen ist der Bau, wie immer man ihn beurteilt, wirklich Ausdruck unserer Zeit."

Murnaus Erbe in Gefahr

"Retten Sie die Murnau-Stiftung!" lautet ein Aufschrei in der Tageszeitung DIE WELT. Eberhard Junkersdorf will seinen Artikel als "Appell" an Kulturstaatsministerin Monika Grütters verstanden wissen,
"das vom Zerfall bedrohte nationale Filmerbe endlich zur Chefsache zu machen".
Der Präsident der Filmförderungsanstalt Deutschland und bis vor Kurzem Vorsitzende des Kuratoriums der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung weiß genau, wovon er redet und was er fordert. Im Artikel erklärt er nachvollziehbar die akut gefährdete Lage der Murnau-Stiftung,
"die in den vergangenen 50 Jahren (seit ihrer Gründung 1964) einen ganz entscheidenden Beitrag zum Erhalt und zur Veröffentlichung des deutschen Filmerbes geleistet (hat). Durch ihre Arbeit sind uns Meisterwerke deutscher Filmkunst erhalten geblieben. Es sind Raritäten und Zeitdokumente von unschätzbarem kulturellem Wert, die noch viele Jahrzehnte von zukünftigen Generationen gesehen und erlebt werden können."
Junkersdorf klagt: "Der Staat überträgt seine nationale Aufgabe an eine Stiftung, versieht diese Aufgabe mit unakzeptablen Konditionen und zieht sich dann aus der Verantwortung heraus. Wenn nicht in sehr kurzer, absehbarer Zeit der Bund seine Bereitschaft zeigt, der Stiftung zu helfen, wird sie nicht mehr ihrer Aufgabe nachkommen können. Am Ende bleibt nur noch der Weg in die Insolvenz."

Papst Franziskus als Luther 2017?

Passend zum Beginn des großen Lutherjubiläums in diesem Herbst fragt Christian Geyer in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG:
"Ist Franziskus der Luther von 2017?"
Es geht um "das jüngste Lehrschreiben 'Amoris laetitia' des regierenden Papstes Franziskus und darin vorderhand um Ehe und Ehebruch". Die Kritiker des Schreibens "halten dem Papst vor, die Ehe darin wie Luther faktisch als 'weltlich Ding' zu behandeln". Geyer sieht darin "eine hübsche ironische Pointe" und erklärt:
"Sollte die Kirche, die seinerzeit im Zeichen des Antichristen getrennt wurde, nun im selben päpstlichen Zeichen de facto wieder geeint sein? Macht Franziskus in einer Art historischer Punktlandung aus der katholischen Kirche die reformierte Einheitskirche?"
Das Gedankenspiel kommt zum Höhepunkt mit dem Vorschlag,
"das wäre im ersehnten oder gefürchteten Ergebnis Rückkehrökumene anders herum: Der Heilige Stuhl siedelt tiefenentspannt nach Wittenberg über, statt, wie jahrhundertelang üblich, die Protestanten nach Rom zwingen zu wollen."
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