Aus den Feuilletons

Ein Finanzminister als sexy Superheld

Der griechische Finanzminister Gianis Varoufakis, aufgenommen in Athen.
Der griechische Finanzminister Gianis Varoufakis © dpa / picture alliance / Yannis Kolesidis
Von Klaus Pokatzky · 27.02.2015
Die "SZ" bejubelt Jan Böhmermanns Satire-Video auf deutsche Anti-Griechenland-Kampagnen und den griechischen Finanzminister: "Unbedingt ansehen." Und auch der "SPIEGEL" beschäftigt sich mit dem Verhältnis von Deutschland zu Europa.
"Wir wissen ja so wenig über unsere Kinder!", klagt die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG. "Noch in der Zeit, wenn Kinder bereitwillig aus der Schule erzählen, kann es im Gespräch mit den Lehrern zu Überraschungen kommen", schreibt Fridtjof Küchemann. "Lange vor der Phase, in der die Halbwüchsigen auf die Frage, wie es in der Schule war, mit einem knappen 'gut', auf die Frage, ob eine Klassenarbeit anstehe, 'weiß nicht', und überhaupt im Subtext ein einziges, ewiges 'halt dich da raus' antworten."
Fridtjof Küchemann sollte mal Fritz Wegemann kennenlernen. Fritz Wegemann ist 14 Jahre alt und Neuntklässler in Berlin. "Ich provoziere nicht, ich habe einfach nur 'ne Mütze auf", schreibt er in der Tageszeitung TAZ, wo er als Schülerpraktikant gezeigt hat, dass er viel mehr kann als nur immer sagen: "Halt dich da raus."
"Ich trage Mützen. Ich trag sie im Winter und im Sommer. Ich trage sie draußen. Ich trage sie drinnen. Meine Mutter sagt: 'Nimm die Mütze ab am Tisch.' Ich: 'Wieso?' Sie: 'Weil es sich so gehört.' Ich behalte die Mütze auf. Sie ist für mich so wichtig wie die Hose. Wenn ich die Mütze abnehme, fühle ich mich wie ohne Hose. Unter der Mütze bin ich sicher. Kann besser arbeiten, kann besser nachdenken, kann mich besser konzentrieren." Warum kapieren Erwachsene das nicht? Erwachsene sind einfach spießig.
"Ein Motorrad fahrender und Lederjacken tragender Finanzminister", das ist die gängige Beschreibung des griechischen Finanzministers Yanis Varoufakis, wie sie jetzt auch mal wieder in der Tageszeitung DIE WELT zu lesen ist. Wäre ja auch noch schöner, wenn jetzt die Finanzminister keinen Schlips mehr tragen, da können sie sich ja gleich eine Mütze von Fritz Wegemann aufsetzen.
"Der neueste Comedy-Clip von Jan Böhmermann setzte endgültig neue Maßstäbe", jubelt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG. "'V for Varoufakis' heißt seine als jaulendes Bombast-Kitsch-Hardrock-Musikvideo getarnte Antwort auf die hysterische Kampagne gegen Griechenland von Schäuble bis 'Bild'."
Das Boulevardblatt, das ja gelegentlich echt einen an der Mütze hat, hatte ja seine Leser aufgefordert, sie sollten sich zusammen mit der "Bild"-Schlagzeile "Nein – Keine weiteren Milliarden für die gierigen Griechen" fotografieren und das Selfie an die Redaktion senden.Da kommt derKomiker Jan Böhmermann gerade rechtzeitig und setzt ein Video in die digitale Welt – zugunsten der Griechen. "Deren böser, böser Finanzminister Yanis Varoufakis erscheint darin als eine Art sexy Superheld, der Mighty Germany das Fürchten lehrt", freut sich Jens-Christian Rabe in der SÜDDEUTSCHEN.
"Man spürt in jeder Sekunde, dass da etwas eben nicht nur vor deutschen Rentnern und Fernseh-Programmdirektoren bestehen will, sondern im Netz. Vor einem Publikum also, das weiß, was heute wirklich gute Comedy, was wirklich gute News-Satire ist. Unbedingt ansehen und weiterleiten!"
Mighty Germany, das mächtige Deutschland? "Viel zu wenig ist der deutschen Öffentlichkeit und auch der intellektuellen Klasse deutlich geworden, dass unsere Gesellschaft ökonomisch und politisch Europa dominiert", sagt im Interview mit der TAZ der Soziologe Heinz Bude.
"Deutschland ist melancholisch, es möchte am liebsten im europäischen Nirwana aufgehen", lesen wir im neuen SPIEGEL. Und zu Frankreich: "Die Aufklärung ist am Ende. Der Humanismus ist tot", das sagt der französische Schriftsteller Michel Houellebecq im Gespräch. "Die Republik ist tot."Und: "Ich bezweifle, dass man sich in Deutschland eine klare Vorstellung vom Ausmaß der Krise in Frankreich macht. Frankreich hat sich in den vergangenen fünf, zehn Jahren stark zum Schlechten verändert. Deutschland nach meiner Beobachtung nicht oder kaum." Oder vielleicht ja auch zum Besseren.