Aus den Feuilletons

Ego-Shooter als Kulturgut

Szene aus dem Shooter-Spiel Battlefield 3
Ego-Shooter: Kampf, Blut und Horror sind nun auch preiswürdig © dpa / picture alliance
Von Gregor Sander · 22.04.2015
In der "FAZ" würdigt Thomas Lindemann den gerade zum siebten Mal verliehenen Deutschen Computerspielpreis. Endlich, meint er, sind auch Ballerspiele preiswürdig.
Kulturstaatsministerin Monika Grütters ist verstimmt, wie Jens Jessen von der Wochenzeitung DIE ZEIT erfahren hat. Allerdings betont er:
"Sie ist aber eine so gut erzogene, für das Parteienmilieu verblüffend bürgerliche Erscheinung, dass man ihren Formulierungen sehr aufmerksam folgen muss, um die Härte der Missbilligung zu hören. Die vom Berliner Kulturstaatssekretär, Tim Renner, geplante Umnutzung der Berliner Volksbühne von einem Ensembletheater in eine freie Festspielstätte unter einer eventuellen Intendanz des Tate-Modern-Chefs Chris Dercon, gefällt Grütters offensichtlich nicht und sie fordert: 'Dass man sich abstimmt und nicht ohne Not auch noch Doppelstrukturen installiert'.
Denn inhaltlich würde die Volksbühne dann in Konkurrenz treten mit dem Haus der Kulturen der Welt, den Berliner Festspielen – und in Kürze auch mit dem Humboldt-Forum. Allesamt vom Bund finanziert und so legt Grütters ihrem Berliner Kollegen folgende Worte ans Herz: Es geht ja nicht um höher, besser, weiter, sondern darum: Wie dienen wir gemeinsam der Republik am besten. Das kann man ja miteinander gestalten!"
TAZ: Mit Chris Dercon ändert sich an der Volksbühne nicht viel
Für Eva Behrendt von der TAZ würde sich mit einem Intendanten Chris Dercon an der Volksbühne allerdings gar nicht so viel ändern. Denn: Schon in den 90er-Jahren war die Volksbühne dank querdenkender Dramaturgen, etwa Carl Hegemann und Matthias Lilienthal, so etwas wie die dissidente Mutter aller Event-Schuppen: die ganzen "Prater-Spektakel", Öffnungen für Quereinsteiger wie Schlingensief oder später Jonathan Meese, Allianzen mit der Freien Szene, Pop-, Theorie- und Liebeskummerkongresse samt diskursivem Rauschen trugen fast so sehr zum Ruhm des Hauses bei wie die wundersame Häufung epochemachender Inszenierungen.
In der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG beschreibt Thomas Lindemann den langen Weg der Ego-Shooter zum Kulturgut. Gemeint ist der Deutsche Computerspielpreis, der in Berlin zum siebten Mal verliehen wurde. Immerhin vom Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt von der CSU.
Dreimal wurde der Preis inzwischen radikal umstrukturiert. Erst jetzt ist er gut. Denn er ist endlich frei, schreibt Lindemann und meint damit: Frei vom politischen Druck, keine Spiele auszuzeichnen, in denen geballert wird.
"Lords of the Fallen": Dämone kommen aus Dimensionsportalen
Wem das alles fremd ist, dem werden die diesjährigen Sieger so erklärt. In "Lords of the Fallen" steuert man einen Krieger, in dessen Welt plötzlich "Dimensionsportale" aufgehen und Dämonen über die Erde schicken. Die spärliche Geschichte dazu ist äußerst krude, Spiele wie dieses überzeugen mit beeindruckenden virtuellen Welten.
Bei "Dark Souls II" ist man ein Untoter, der vier mächtige Wesen besiegen muss, um seine Seele wiederzubekommen. Letztlich sind solche Storys nur Beiwerk für viel Action mit dem Streithammer. Und das Geschäft blüht: "Lords of the Fallen" etwa, seit dieser Woche nun also das "beste deutsche Computerspiel", wurde in Frankfurt am Main für rund zehn Millionen Euro produziert, es war also teurer als praktisch alle deutschen Filme und wurde mindestens 200.000 Mal gekauft.
Das neue Album von Blur ist ein Glücksfall: für alle
Wer sich an dieser Stelle nach "den gute alten Zeiten" zurücksehnt, in denen Theater noch keine Event-Buden waren und Computerspiele "Supermario" hießen, wird in der Tageszeitung DIE WELT von Marc Gladic getröstet. Mit einem neuen Blur-Album. Das erste seit 12 Jahren.
So lange haben die Britpopper einfach nur auf irgendwelchen Festivals ihre alten Hits gespielt. Aber nach abgesagten Japanauftritten 2013, so will es die Story zu "Magic Whip", saßen Blur erst einmal in Hongkong fest. Dass es nett wäre, anstatt nach Hause zu fliegen, für ein paar Tage ins Aufnahmestudio zu gehen, soll Sänger Damon Albarn den anderen Bandmitgliedern spontan vorgeschlagen haben. Unter schlechten technischen Bedingungen und bei mäßig funktionierender Klimaanlage seien hier dann die neuen Stücke entstanden.
Und wie klingt "Magic Whip" nun für einen Blur-Fan, zu denen sich Marc Gladic wohl zählen lässt: Es ist ein Glücksfall. Für Blur und für uns.
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