Aus den Feuilletons

Disziplinverstöße oder Schlimmeres

Die Statur des nackten Donald Trump, die von Aktivisten an mehreren Standorten in den USA aufgestellt wurden, darunter Los Angeles, California, USA
Statur des nackten Donald Trump. © EPA
Von Tobias Wenzel · 28.08.2016
Die "FAZ" hadert mit Menschen, die sich an der falschen Stelle zurückhalten. Und die "Welt" nimmt die Gemeinsamkeiten Donald Trumps und Theodore Roosevelts unter die Lupe. Dabei findet das Blatt - zum Glück - einen ziemlich deutlichen Unterschied.
"Fritz Stern, der kürzlich verstorbene Historiker, hat aus einem Wort Nietzsches über Goethe einen Begriff geprägt für das in der deutschen Geschichte wiederkehrende Phänomen der Passivität von Zuschauern, denen Zivilcourage abgeht: das feine Schweigen."

Es kommt nicht von ungefähr, dass Patrick Bahners das in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG schreibt. In seinem Artikel übt er zugleich Kritik und Selbstkritik anlässlich eines Konzertbesuchs beim Musikfestival Schubertiade im Bregenzerwald in Österreich. Dort sang der englische Tenor Ian Bostridge am Freitagabend begleitet vom Pianisten Julius Drake Lieder von Franz Schubert.

Das miese an der Passivität: Es passiert nichts

Als Zugabe habe es die "Forelle" gegeben. "In den um die nächste Zugabe bittenden Applaus stößt plötzlich eine laute Männerstimme: ‚Deutsch lernen!‘ Ein weißhaariger Anzugträger mit Brille und offenem Kragen, vielleicht siebzig Jahre alt, steht am Rand des Saals", erinnert sich Bahners. Es habe zunächst, viel zu lang, eine "absolute Stille" und "völlige Passivität" im Saal geherrscht:

"Bostridge und Drake auf der Bühne sind erschüttert […] Niemand von uns steht auf und sagt zu dem Mann: Verlassen Sie den Saal! Niemand entschuldigt sich bei den Künstlern. Vielleicht meint jeder, ein anderer werde etwas tun, weil wir die Sache alle genauso sehen." Schreibt, kritisch und selbstkritisch, Patrick Bahners über dieses feige, "feine Schweigen".
Schweigen oder Schimpfen - die hohe Kunst des Stellung-Beziehens
Schweigen oder Schimpfen - die hohe Kunst des Stellung-Beziehens© imago / McPHOTO / Baumann
Vom falschen Schweigen zum lauten Rabaukentum, von der FAZ zur WELT:
"Seine Anhänger halten Donald Trump für den Theodore Roosevelt des 21. Jahrhunderts", schreibt Wolf Lepenies und sucht nach Argumenten für und gegen die Ähnlichkeit der beiden. Trump und Roosevelt, der von 1901 bis 1909 Präsident der USA war, stammten beide aus reichen Elternhäusern. "Ethnischen Minderheiten" habe auch Roosevelt "skeptisch" gegenüber gestanden.

"Die aggressive, vor Schmähungen und Beleidigungen nicht zurückschreckende Sprache Trumps erinnert an die Rhetorik Roosevelts, der das Schimpfwort 'Bully' (Rabauke) zu einem Kompliment machte", schreibt Lepenies weiter, um dann allerdings schon bald zu dem zu kommen, was Ex- und Möchtegernpräsident unterscheidet. Roosevelt habe den Friedensnobelpreis erhalten und bedeutende Bücher geschrieben, Trump dagegen nur ein Buch mit dem Titel "The Art of the Deal".

Der Maßlose und der maßhaltende Bully

Roosevelt habe im Spanisch-Amerikanischen Krieg in Kuba gekämpft. "Donald Trumps größte militärische Leistung bestand darin, sich mehrfach erfolgreich vor der Einberufung zu drücken." Das Fazit von Wolf Lepenies: Trump sei wie Roosevelt ein "Bully". "Aber ‚Teddy‘ war ein ‚Bully‘, der Maß halten konnte, Trump ist maßlos."
"[…] wenn ich im Moor sitze und die Libellen beobachte, fällt mir immer etwas ein, was Löns geschrieben hat." Mit diesen Worten gibt die TAZ die 76-jährige Präsidentin der Hermann-Löns-Kreise in Deutschland und Österreich wieder. Aber lieblich war am Heidedichter, der an diesem Montag 150 geworden wäre und den die Nazis für sich entdeckten, nun wirklich nicht alles. Er habe den Ruf eines Trinkers gehabt, auf Juden geschimpft und auch "stramm völkisch" geschrieben. Als Beleg führt Thöne folgendes Zitat an: "Ich bin Teutone hoch vier. Wir haben genug mit Humanistik, National-Altruismus und Internationalismus uns kaputt gemacht." Da passt es, dass die Journalistin in Walsrode einen Lokalpolitiker der AfD trifft, der Löns viel abgewinnen kann und zugleich mehr Polizei im Heidekreis als Schutz vor den Flüchtlingen fordert.
Zum Schluss dann aber noch etwas Hübsches, na ja, vielleicht doch eher Schleimiges: Hermann Löns habe sich für Weichtiere interessiert, erfährt man aus dem TAZ-Artikel. Er habe eine "Nacktschnecke" entdeckt und sie nach Annette von Droste-Hülshoff benannt.
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