Aus den Feuilletons

"Die wunderbare Kultur, die wir teilen"

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen in Brüssel
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen in Brüssel © picture alliance / dpa / Olivier Hoslet
Von Adelheid Wedel · 11.04.2014
Für Europaskeptiker hat Ursula von der Leyen "null" Verständnis. Während sich die "taz" lobend wie kritisch mit Europa auseinandersetzt, hat die "Welt" Deutschland als Einwanderungsland kritisch im Blick.
"Man kann die EU durchaus für eine gute Idee halten, ohne den Nationalstaat aufgeben zu wollen", schreibt Bettina Gaus in der Berliner Tageszeitung TAZ. Die Zeitung hat in ihrer Wochenendausgabe mehrere Seiten Europa gewidmet und dem Thema interessante - lobende wie kritische - Aspekte abgewonnen.
Bettina Gaus zum Beispiel meint, dass die Demokratie in der Europäischen Union erodiert. "Immer häufiger sind es Gerichte, die politische Grundsatzentscheidungen treffen. Und nicht Abgeordnete. In den Feinheiten sind manche Themen nur noch für Fachleute verständlich, obwohl es im Kern buchstäblich alle angeht." Die Frage: "Warum sind eigentlich so viele Politiker überrascht, dass sich große Teile der Bevölkerung von der Politik angeödet abwenden?" beantwortet sich fast von selbst: "Wenn ein Fachstudium erforderlich ist, um innerhalb eines demokratischen Systems eine politische Grundsatzfrage kompetent erörtern zu können, dann braucht man sich über eine schlecht gelaunte Öffentlichkeit nicht zu wundern."
Demokratie drücke sich auch so aus, "dass man mit der eigenen Meinung ernst genommen wird und werden muss", so Gaus. Innerhalb der EU sei das in immer geringerem Maße der Fall.
Ursula von der Leyen, eine bekennende Europäerin
In einem weiteren Stück fragt die TAZ: "Kann die EU ein Zuhause sein?" Peter Unfried sammelt die Antworten auf diese Frage in Brüssel und Berlin ein, vier Europäer stehen ihm Rede und Antwort: Silvana Koch-Mehrin, Luuk van Middelhaar, Moritz Hartmann und Robert Menasse.
Anja Maier spricht mit Ursula von der Leyen, einer bekennenden Europäerin. "Das Gefühl, wir gehören zusammen, Europa ist beschützenswert, etwas, das wir erhalten und weiterentwickeln wollen", ist Tenor dieses Gesprächs über Europa. Sie erinnert sich gern an ihre Zeit an der Europäischen Schule in Brüssel. "Das Hauptaugenmerk war: mehrere Sprachen lernen und mit den unterschiedlichen Nationen zusammen bis zum Abitur gehen."
Auf die Frage, was der europäische Gedanke sei, antwortet die Verteidigungsministerin: "Das sind zwei Dinge. Das tiefe Grundgefühl, dass wir Werte miteinander teilen und füreinander einstehen. Dann die wunderbare Kultur, die wir miteinander teilen. Von der griechischen Mythologie über den römischen Rechtsstaat, die Geschichte der Aufklärung in Europa, Musik, Literatur, das europäische Sozialmodell."
"Europa hat alle Chancen, das zu schaffen"
Ihr Ton wird ein wenig strenger, wenn sie ausführt: "Unsere Sozialsysteme können wir auf Dauer nur finanzieren, wenn wir alle im gemeinsamen Währungsraum hart arbeiten, innovativ sind, Produkte auf den Markt bringen, wettbewerbsfähig sind." Hoffnungsvoll schließt sie: "Europa hat alle Chancen, das zu schaffen." Sie versteht Europa "als lernende Modernisierung" und habe deswegen für Europaskeptiker kein Verständnis: "Null."
Die Tageszeitung DIE WELT hat Europa ebenfalls im Blick, oder sagen wir eher: Deutschland in Europa. Ihren Artikel über die Dresdner Ausstellung "Das neue Deutschland" überschreibt die Zeitung: "Das mit der Einwanderung ist echt schwierig, boah ey!" Iris Alanyali lässt wenig Gutes an diesem "Teil eines Migrationsprojektes mit Fortbildungsangeboten und Vorträgen, das das Hygiene-Museum in Kooperation mit der Bundeszentrale für politische Bildung und dem Europäischen Integrationsfonds betreibt. Wir lernen", so schreibt sie, "die bürokratischen Hürden für einen Asylantrag in Deutschland sind kompliziert."
Die Autorin kritisiert die Oberflächlichkeit, mit der die Ausstellung auskommt. "Deutschland als Einwanderungsland ist hier Teil einer Welt aus Zahlen, Bauklötzchen und Ermahnungen." Sie aber meint: "Deutschland befindet sich in einer heißen Phase der Selbstver-gewisserung als Einwanderungsland. Mit offenem Ende." Dass in dieser Phase auf eine Anzahl von Erfolgen verwiesen werden kann, die in der Ausstellung keine Rolle spielen, kreidet sie den Ausstellungsmachern an. Das ist aber - genau gesehen - wiederum ein Lob auf dieses Land, das sich langsam aber sichtbar öffnet, auch wenn es nicht sofort alle Einwanderungswünsche erfüllt oder erfüllen kann.