Aus den Feuilletons

Die Tristesse der italienischen Landstraße

Ein Verkehrsschild zeigt die Richtungen zum Zentrum von Neapel und nach Altavilla an, aufgenommen am 31.01.2008. Foto: Lars Halbauer +++(c) dpa - Report+++
Verkehrsschild auf einer italienischen Landstraße © picture alliance / dpa / Lars Halbauer
Von Ulrike Timm · 21.07.2016
Für die "Süddeutsche" sind Italiens Landstraßen ein Symbol der Krise: Investitionsruinen am Straßenrand, verlassene Motels und Tankstellen. Dabei hätten sich Italiens Banken nicht einmal durch riskante Geschäfte hervorgetan, sondern eher agiert wie Sparkassen.
La Strada – das Lied der Straße, wie das berühmte Melodram von Fellini hat Thomas Steinfeld seinen betrübten Artikel in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG betitelt. Er beschreibt die Bankenkrise und das Auf und Nieder Italiens anhand einer Reise auf seinen Landstraßen. An deren Rändern finden sich Investitionsruinen, alte und neue. Verlassene oder halb fertige Möbelhäuser, Tankstellen und Motels künden von erloschenen wirtschaftlichen Hoffnungen.
Dabei haben die italienischen Banken, deren Schulden sich wohl auf rund 360 Milliarden Euro angehäuft haben, nicht übermäßig in Griechenland, Irland oder den US-Wohnungsmarkt investiert, sondern eher wie Sparkassen gehandelt. "In Schwierigkeiten sind sie erst geraten, seitdem es mit gewöhnlichen Geschäften kein Geld mehr zu verdienen gibt", lesen wir in der SZ.

Kartenlesen als aussterbende Kulturtechnik

Auch eine Geschichte in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN beginnt auf italienischen Straßen: von Venedig aus nach Capri gewollt, in Carpi gelandet. Das Navi war schuld, oder besser: ein Buchstabendreher bei der Zieleingabe. Hätte das eigene Hirn nicht unterwegs merken können, dass man offenbar keine besungene Insel, sondern eine Industriestadt ansteuert? Macht uns Google dumm? fragt die FAZ, weil uns die Gedankenprothese on demand immer öfter dran hindert, den eigenen Weg zu finden – und man ihn nicht einmal mehr sucht! Kartenlesen ist eine aussterbende Kulturtechnik.
Doch wozu braucht es Pläne, wenn uns das Navi - korrekt gefüttert - zuverlässig von A nach B lotst? "Der Verlust wäre dann ungefähr so bedeutsam wie die Tatsache, dass heute kaum noch jemand ein Pferd satteln kann", überlegt Adrian Lobe, um dann doch auf Skepsis gegenüber einer ständig smarter oder wenigstens smartphoner werdenden Welt umzusatteln:
"Google macht uns zwar nicht dumm. Wir können mit weniger Wissen mehr Information erschließen. Doch scheinen wir diese Informationen auf ihren Wahrheitsgehalt kaum mehr zu überprüfen und als eine Art Gottgegebenheit zu akzeptieren. Das Wissen erscheint nur noch als fertiges Endprodukt wie das IPhone im Apple Store und nicht mehr als Erwerb. Nett verpackt, aber unter der Benutzeroberfläche ist eine Black Box".

Mehr Wertschätzung für den Lokaljournalismus

Fünf Chefredakteure großer Regionalzeitungen verließen sich jedenfalls eine Woche lang nicht mehr allein auf Google und erkundeten die Welt. Ob sie mit oder ohne Navi nach Föhr fanden, verrät uns die SÜDDEUTSCHE nicht, aber dass die fünf Chefs "Reif für die Insel" waren und eine Woche lang auf Föhr und Amrum Zeitung machten. Zurück zum Ursprung, dem Lokaljournalismus. Proteste wegen Kreißsaal auf dem Festland statt zu Hause auf der Insel, Museumsfest mit Malkurs, "sogar eine Drohne ist im Einsatz für besondere Fotos auf Amrum."
Sinn und Zweck der Übung, die den beiden Stammredakteuren des Inselboten eine Woche Sonderurlaub einbrachte? "Im Idealfall", meint die SZ, "wird das Insel-Abenteuer so enden, dass die Chefredakteure ihre Lokalredaktionen daheim, in Kleve oder Melle, Fritzlar oder Solingen, wieder mehr schätzen. An den kleinsten Einheiten des Journalismus, den Büros mit dem Redakteur von nebenan, probieren die Betriebswirtschaftler in den Verlagen ja besonders gern Kosten-Nutzen-Rechnungen aus". Dabei sei der Lokaljournalismus doch die Wurzel von allem, und er wird die Zukunft sichern – das hat zumindest einer der temporären Inselschreiber für sich gelernt.

Pro-Europäisches Magazin in Großbritannien

"Das Blatt für Verlierer" wird der Föhrer Inselbote also nicht werden – die TAZ aber hat ein solches in Großbritannien aufgetan. Dort tun sich die Verlierer des Brexit-Referendums schwer damit, das Ergebnis zu akzeptieren. Jetzt haben sie eine Zeitschrift gegründet, die ein Loblied auf Europa singt, Auflage erstmal 200 000 und vier Ausgaben. "Die Menschen werden den New European wie ein Ehrenabzeichen mit sich herumtragen", hofft der Gründer. Andere sehen das skeptisch, die TAZ auch: Das sei doch "als würde der VfB Stuttgart eine Zeitschrift veröffentlichen, in der die Vorzüge der Bundesliga angepriesen werden, aus der man gerade abgestiegen ist".
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