Aus den Feuilletons

Die Schwierigkeiten des Friedens

Der österreichische Staatsmann versuchte durch Kongreßdiplomatie, die vorrevolutionäre politische und soziale Ordnung in Europa wiederherzustellen. Er bekämpfte alle liberalen und revolutionären Bewegungen. Klemens Wenzel Fürst von Metternich wurde am 15. Mai 1773 in Koblenz geboren und ist am 11. Juni 1859 in Wien gestorben. Die zeitgenössische Darstellung zeigt stehend (l-r): Wellington, Lobo da Silveira, Saldanha da Gama, Löwenhjelm, Noailles, Metternich, La Tour du Pin, Nesselrode, Dalberg, Rasumofsky, Stewart, Clancarty, Wacken, Gentz, Humbold, Cathcart sowie sitzend (l-r): Hardenberg, Palmella, Castlereagh, Wessenberg, Labrador, Talleyrand und Stackelberg.
Der Wiener Kongress vom 18. September 1814 bis 9. Juni 1815 unter Vorsitz von Klemens Wenzel Fürst von Metternich (stehend 6. v. l.) © picture alliance / dpa / Votava
Von Burkhard Müller-Ullrich · 21.08.2014
Die "Süddeutsche Zeitung" analysiert das Zustandekommen und die Qualität von Friedensschlüssen. Die "Welt" erinnert an die "Senegal-Schützen", die die kämpfenden Franzosen im Zweiten Weltkrieg unterstützten und rassistisch von ihnen behandelt wurden.
Alle reden gegenwärtig von Krieg und Frieden, sowohl in aktueller Hinsicht als auch in historischer Perspektive, aber wie man vom Krieg zum Frieden kommt, wie ein Friedensschluss funktioniert, das thematisiert Gustav Seibt in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG.
Dabei vergleicht er den Wiener Kongress, der vor 200 Jahren tatsächlich zu einer nachhaltigen Neuordnung und Befriedung Europas geführt hat, mit den Versailler Verträgen von 1871 und 1919, die ja sehr wenig friedenstiftend wirkten, und erklärt den Grund für diesen Unterschied wie folgt:
"Zwischen 1814 und 1919 vollzog sich der Aufstieg von Nationalismus, Massenpresse und Demokratie. Auch das Umfeld der Außenpolitik demokratisierte sich. Im 20. Jahrhundert hat es in Europa keine großen Friedensschlüsse mehr gegeben, nachdem Zerstörung und Haß die Zivilbevölkerungen in nie gekanntem Ausmaß erreicht hatten."
Der Nachteil der Demokratie
Seibts These läuft also zunächst einmal auf eine Problematisierung der Demokratie hinaus. Die europäischen Fürstenhäuser, die sowieso alle durch Verwandtschaftsbande miteinander verknüpft waren, und ihre diplomatischen Profis konnten einen Waffengang unter sich auf eine geradezu coole Weise beenden und besiegeln, sogar unter Einbeziehung der Besiegten. Talleyrand saß in Wien nicht nur mit am Tisch, sondern konnte eine herausragende Rolle spielen. Solche Kabinettpolitik war im Zeitalter von Demokratie und Nationalstaat nicht mehr möglich, weil der Kampfgeist epidemisch wurde.
Wieso Gustav Seibt seine Erkenntnisse aber im hinteren Teil des Artikels unbedingt auf den israelisch-palästinensischen Konflikt anwenden will, bleibt unerfindlich. Erstens ist die Welt voll von nationalistisch-demokratisch aufgeputschten Konfliktherden: Warum erwähnt er nicht Kaschmir, Nepal, die Ukraine oder Afrika? Und zweitens steckt hinter dem sogenannten israelisch-palästinensischen bekanntlich ein viel größerer innerarabischer und innerislamischer Konflikt, sodass man die europäischen Versöhnungsmodelle, um die es Seibt eigentlich geht, getrost in der Wasserpfeife rauchen kann.
"So weit wie möglich von 'den Weißen' getrennt"
Das Ende des Zweiten Weltkriegs kam durch zwei alliierte Landungen in Frankreich: den berühmten D-Day in der Normandie und die weniger bekannte Operation Amboß in der Provence. Vor einer Woche gedachte man in Frankreich dieses militärischen Erfolgs, und was in den Pressemeldungen bei uns nur eine Randnotiz ergab, erörtert Wolf Lepenies ausführlich in der WELT: nämlich die Beteiligung von 120.000 afrikanischen Soldaten an dieser für das Selbstwertgefühl der Franzosen so wichtigen Befreiungsaktion.

"Die Rekrutierung afrikanischer Soldaten begann in Frankreich in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Auf Dekret Napoleons III. wurden in den Kolonien die ersten Regimenter gebildet, in denen freigekaufte Sklaven, Kriegsgefangene oder Freiwillige dienten. Da die ersten von ihnen aus dem Senegal kamen, spricht man bis heute von den 'Senegal-Schützen'."
Lepenies zeigt auch, welchem Rassismus diese schwarzen französischen Kämpfer in ihrer eigenen Truppe ausgesetzt waren: So sollten die Senegal-Schützen im Ersten Weltkrieg
"so weit wie möglich von den 'Weißen' getrennt bleiben, um sie nicht zu verweichlichen und ihre 'ursprüngliche Wildheit' zu erhalten,
wie Lepenies aus zeitgenössischen Quellen zitiert.
Verschärfte Auflagen für Stammeszugehörigkeit in Nordamerika
Ob sich die ursprüngliche Wildheit bei den Indigenen Nordamerikas durch eine gezielte Rassenpolitik wiederherstellen lässt, ist eine Frage, die im Hintergrund einer Reportage von David Hesse in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG steht. Denn:
"In den USA wird zunehmend heftig darum gestritten, wer Indianer sein darf – und wer nicht. Viele der 566 national anerkannten Stämme haben ihre Mitgliederauflagen verschärft."
Hunderte von Stammesmitgliedern wurden hinausgeworfen, weil sie keinen lupenreinen Stammbaum haben. Ein Grund dafür ist das Geld. Manche Stämme leben von den Einnahmen der auf ihren Territorien errichteten Casinos oder sind an den Erträgen aus Öl- und Gasvorkommen beteiligt. Da bleibt für den einzelnen mehr übrig, wenn der Divisor kleiner ist. Ein anderer Grund ist symbolisch-politischer Natur:
"Daß die Stämme heute strikter sind, zeigt vor allem ihre Stärke",
zitiert der Autor des Artikels einen Experten.
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