Aus den Feuilletons

Die Lochis - Teeniestars sind niemals offline

Die Zwillingsbrüder Roman (links) und Heiko Lochmann, besser bekannt als DieLochis.
Die Zwillingsbrüder Roman (links) und Heiko Lochmann, besser bekannt als DieLochis. © Screenshot youtube
Von Gregor Sander · 05.01.2017
Zwei Millionen Abonnenten verzeichnen die Lochis auf ihrem YouTube-Kanal. Die Zwillinge aus Hessen sind mit ihrer Popmusik seit Jahren auf Erfolgskurs. Dabei sind sie gerade einmal 17 Jahre alt. Die "Tageszeitung" war bei einem ihrer Konzerte dabei.
So richtig aufzudrängen scheinen sich die Feuilletonthemen in der ersten Woche des Jahres noch nicht. Und so bleibt den Zeitungen viel Platz für Abseitiges. Oder hätten Sie gewusst, dass die Oboe das Instrument des Jahres 2017 ist? Elmar Krekeler von der Tageszeitung DIE WELT auch nicht:
"So etwas tut man ja bei Vögeln (Goldregenpfeifer! Neuntöter!) gern immer dann, wenn weltweit nur noch zwei Exemplare in einem Moor kurz vor den Vogesen brüten. Ist es wirklich soweit? Muss ich mir Sorgen machen um das Überleben meiner fernen Geliebten?"
Nein, muss er nicht, stellt der WELT-Autor fest, um dann den Initiatoren dieser Wahl zu danken, den Landesmusikräten von Berlin und Schleswig-Holstein, die damit auf verkannte Instrumente aufmerksam machen wollen:
"Dass vor Jahren erst die Bratsche aufs Podium geschleift wurde, ist dementsprechend ärgerlich und beruhigend zugleich", findet Krekeler. "Ärgerlich, weil sich Oboisten und Bratscher einen klammheimlichen Wettbewerb um die Instrumente liefern, die am meisten Scherze auf sich ziehen. Beruhigend, weil es so schlimm dann doch nicht ums 'laute Holz' (so die Übersetzung des zu Lullys Zeiten bei Ludwig XIV. erfundenen Instruments 'hautbois') bestellt ist."

Paolo Conte und die Farbe des Ingwers

Verkannt war Paolo Conte sicher nie, höchstens unbekannt, als er in den 60er Jahren noch Adriano Celentano seine Lieder singen ließ. Am Freitag wird der promovierte Jurist 80 Jahre alt und Andreas Platthaus von der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG fallen gleich zwei Instrumente für den Jubilar ein:
"Das Piano als sein eigenes Instrument bildet die Dominante in den Arrangements; und als er später die Kazoo für sich entdeckte, die so klingt, wie Conte singt, und vor allem neben dem Klavier gespielt werden kann, wurde sie zum beliebten Effekt in den Liedern der achtziger und neunziger Jahre."
Trotzdem bleibt die Stimme das Markenzeichen des Maestros. Umso erstaunlicher, dass Conte nun mit "Amazing Game" eine Instrumentalplatte veröffentlicht, die Ruedi Ankli von der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG aber deshalb nicht weniger gefällt:
"Der Eröffnungstitel "Pomeriggio zenzero" etwa wirkt wie der Soundtrack zu einem Film von Fellini. Pitziantis Akkordeon vermittelt einen Hauch von Nino Rotas unvergesslichen Melodien. In der unerwarteten Metapher des Titels steht die Farbe des Ingwers (zenzero) diametral der Kraft der Wurzel entgegen. Es ist eine Art Synästhesie, die Raum für die Vorstellungskraft der Zuhörer öffnet."

Die Lochis: Popstars mit 17 via Youtube

Wem das mit der Farbe des Ingwers und der Synästhesie jetzt zu hoch, war, der kann sich in der TAZ an den Lochis freuen. Bei den Youtube-Stars aus Hessen geht's ja bekanntermaßen etwas schlichter zu. Gunnar Leue stellt die 17-jährigen Zwillingsbrüder so vor:
"Heute sind die Lochis mit über zwei Millionen Abonnenten ihres YouTube-Kanals Popstars, die schon einen eigenen Kinofilm machten und zuletzt das Album "#Zwilling", das natürlich auf eins ging."
Im Konzert in der ausverkauften Berliner Columbia-Halle fand sich der TAZ-Rezensent unter vielen Kindern und ihren aus rechtlichen Gründen mitgekommenen Eltern wieder. Gefallen hat es ihm trotzdem:
"Fetter Sound, knalliges Licht, kunstiger Nebel. Die Lochis sehen in ihren weißen Klamotten aus wie Arzthelfer, wirken aber nicht halb so beruhigend. 'Wir sind wieder mal im Game', singen sie und anschließend quasseln sie drauflos, als wären sie auf Sendung. Was sie ja auch sind. 'Dauerhaft online' hieß ihr erster Charthit 2013."

Gruselige "Smombies"

Wer dauerhaft online durch die Straßen läuft, den bezeichnet Roberto Simanowski in der NZZ als "'Smartphone-Zombie', kurz: 'Smombie'".
Diesen Wesen hat der Professor für Digitale Medien einen ganzen Artikel gewidmet und sie klingen in seiner Beschreibung so faszinierend wie gruselig:
"Menschen, deren 'ambient attention# nicht weiter reicht als bis zum nächsten Hindernis. Widerstand, gar ein trotziges Sich-in-den-Weg-Stellen, wenn diese 'Smartphone-Zombies' durch überfüllte Strassen schleichen, wirkt da hilflos aggressiv - sie weichen einem aus, ohne aufzublicken."
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