Aus den Feuilletons

Die gar nicht harmlose Kulturpolitik des Front National

Der französische Reporter Paul Larrouturou wird nach einer Frage an Marine Le Pen gewaltsam von der Veranstaltung entfernt.
Der französische Reporter Paul Larrouturou wird nach einer Frage an Marine Le Pen gewaltsam von der Veranstaltung entfernt. © Screenshot / Deutschlandradio / TF1
Von Tobias Wenzel · 28.02.2017
Der Front National von Marine Le Pen gibt sich zwar "entdiabolisiert", doch seine Politik ist alles andere als harmlos, stellt die "Welt" fest. In der SZ hingegen lernen wir von Andy Warhol, dass Donald Trump geizig ist.
Ach, das ist aber eine sympathische Frau! Und dann auch noch tierlieb! Denkt man beim Blick ins Feuilleton der WELT. Dort ist das Foto einer Frau mit Hut abgebildet, die ein Pferd streichelt und so aussieht wie eine freundliche Tante aus einem Cowboy-Film. Darunter die Titelzeile:
"Brot und Spiele".
Und darunter:
"Pétanque, Militärmärsche, Brigitte Bardot: So sieht die Kulturpolitik der Marine Le Pen aus."
Und dann schämt man sich dafür, dass man die rechtspopulistische Wild-West-Le-Pen nicht gleich auf dem Foto erkannt und auch noch sympathisch gefunden hat. Der Front National gebe sich zwar "entdiabolisiert", klärt die Autorin des Artikels, Martina Meister, den Leser auf. So habe die französische Partei gelernt:
"Mit Säuberungsaktionen in Bibliotheken, wo afrikanische Märchen aus den Regalen verschwanden, macht man sich langfristig keine Freunde."
Aber die heutige Kulturpolitik des Front National sei alles andere als harmlos und stehe für:
"Diskriminierung Andersdenkender. Null Toleranz."
Auch gegenüber kritischen Journalisten. So verweigere der Front National einigen Journalisten den Zutritt zu seinen Veranstaltungen. Ein Reporter der Satiresendung "Quotidien" sei von Front-National-Leuten gewaltsam aus einer Halle gedrängt worden. Aber die Parteichefin Marine Le Pen habe bei ihrer Neujahrsansprache vor Journalisten "die Pressefreiheit in hohen Tönen" gelobt. Die nette Wild-West-Tante eben.
Na ja, nicht ganz so nett, findet eine oppositionelle Stadträtin der südfranzösischen Stadt Fréjus, die vom Front National dominiert wird. Die Stadträtin interpretiert die Kulturpolitik Marine Le Pens in der WELT so:
"Es gilt das alte Prinzip von Brot und Spiele. Selbst Mozart ist zu anspruchsvoll. Alles muss populär, wenn nicht populistisch sein. Kultur, die nachdenklich macht, die uns wachsen lässt, das ist nicht ihre Sache."

Scorseses Passionsmystik

Nachdenklich hat "Silence", der neue Film von Martin Scorsese, mindestens zwei Kritiker gemacht, allerdings auf sehr unterschiedliche Weise. Wer ihre Rezensionen liest, fragt sich, ob beide wirklich denselben Film gesehen haben. "Silence", ein Film über "die brutale Jagd auf Christen im Japan des 17. Jahrhunderts", sei "ein Lehrstück über die Gefahren jeder Religion, weil die Grenze zwischen Glaube und Fundamentalismus von allen Richtungen her schnell überschritten wird", urteilt David Steinitz in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG und ruft aus:
"Niemand versteht Fundamentalisten besser als dieser Regisseur".
Bert Rebhandl kann dagegen offensichtlich nichts mit dieser "Mischung aus Historienmalerei und Passionsmystik" anfangen. Jedenfalls klingt der Schluss seiner Kritik in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG wie ein Todesstoß:
"Mit dem allerletzten Bild, einer Pointe im Feuerofen, zeigt Martin Scorsese allerdings, wer in diesem Film der Inquisitor ist: Er selbst, der zwar nicht in die Seelen, wohl aber in die verkrampften Hände der Märtyrer schauen kann."

Wie Warhol an Trump verzweifelte

Gelitten hat auch Andy Warhol. Unter Donald Trump. Noch vor Warhols Tod, versteht sich. Die SZ erinnert in ihrer Rubrik "Gehört, gelesen, zitiert" daran, dass der Künstler 1981 mit Donald Trump vereinbarte, ein Foto des Trump-Towers in Kunst zu verwandeln. Die so entstandene Serie habe Trump dann aber nicht gekauft, weil sie ihm nicht gefallen habe. So jedenfalls erinnerte sich Warhol in seinem Tagebuch:
"Mr. Trump war sehr aufgebracht, dass die Bilder nicht farbgetreu waren. Ich weiß auch nicht, warum ich gleich so viele gemacht habe. Acht Stück sind es geworden. Ich dachte, in Schwarz, Grau und Silber, das wäre doch schick in der Lobby. Aber es war wohl ein Fehler, ihm gleich so viele anzubieten. Das hat ihn nur verwirrt. Auf eine Art ist er wohl auch geizig."
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