Aus den Feuilletons

Deutschland braucht keine blonden Locken

Die CDU-Politikerin Erika Steinbach
Erika Steinbach ist Sprecherin für Menschenrechte und humanitäre Hilfe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion: Ihr Tweet zum Thema Flüchtlinge wurde deshalb besonders kritisiert. © dpa / picture alliance / Adam Warzawa
Von Arno Orzessek · 29.02.2016
Ein Tweet der CDU-Politikerin Erika Steinbach hat ihr viele Rassismus-Vorwürfe beschert. Die "FAZ" wundert sich über diese "obligate Empörungsschleife" - gibt sich dabei aber gewollt naiv.
Ganz süß und knuddelig und keck sieht es aus… Das lockenblonde Mädchen, das in dem aufsehenerregenden Tweet der CDU-Politikerin Erika Steinbach von dunkelhäutigen Menschen gefragt wird: "Woher kommst Du denn?"
Dass Steinbach in dieser Szene "Deutschland 2030" vorweggenommen sieht, hat ihr bekanntlich viele Rassismus-Vorwürfe beschert…
Und das findet die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG seltsam. Christian Geyer fragt sich, warum das Foto überhaupt zum Anlass der "obligaten Empörungsschleife" werden konnte:
"Weil es von Erika Steinbach getwittert wurde? Weil es in rechten Schmuddelecken kursiert […]? Merken die Reflexempörten nicht, dass der Skandal nur funktioniert, wenn man die Voraussetzung jener teilt, die mit dem Bild hetzen wollen? Deren Evidenzbehauptung lautet: Deutschlands Identität steht auf dem Spiel, wenn es im Jahr 2030 eine andere ethnische Zusammensetzung haben sollte als […] 2016. Wer aber Identität nicht so, sondern kultiviert begreift, schaut sich das Foto an und sagt: na und? Warum sich die Lesart des Bildes vom rassistischen Bullshit derer vorgeben lassen, die es posten?"

Gewollt naiv

Wir teilen die Argumentation des FAZ-Autors insofern, als dass Deutschland gewiss keine blonden Locken braucht, um Deutschland zu sein.
Andererseits erscheint es uns gewollt naiv, dass Geyer auf die Intention des Steinbach-Tweets pfeift und so tut, als schmücke das Foto eine neutrale Kunst-Ausstellung. Auch Bilder stehen in Kontexten…
Ein Umstand, über den sich in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG Alex Rühle mit dem – in Bosnien geborenen – amerikanischen Roman-Autor Aleksandar Hemon unterhält.
Rühle konstatiert eine "Schwemme an Superheldengeschichten im Kino" und fragt Hemon, ob das womöglich eine "Art Trostpflaster" für die Niederlage der USA im Irak-Krieg sei.
"Ja [bejaht Hemon]. Die Kraft der Supermacht rührte aus der moralischen Überlegenheit, die aus unserer Verfassung kommt. Bei uns ist alles gut gemeint, selbst Guantanamo. Wenn es dermaßen gut gemeint ist, kannst du Leute auch foltern oder ein Land bombardieren. Alle Superheldenfilme feiern diese Selbstermächtigung und –justiz. Gleichzeitig stellen wir unser Scheitern aus, es braucht ja mittlerweile fünf Superhelden pro Film, weil einer allein nicht mehr mit dem ganzen Chaos zurechtkommt."

"Kein Krieg nützt auch nichts"

Fast immer vorn dabei, wenn die USA nach '45 Krieg führten, war Henry Kissinger – unter allen Friedensnobelpreis-Trägern derjenige, an dessen Händen am meisten Blut klebt…
Weshalb mal wieder ein kritisches Buch erschienen ist: "Kissingers langer Schatten" von Greg Grandin.
Mag sein, dass die Tageszeitung DIE WELT die Übersetzung übersehen hat. Hannes Stein jedenfalls bespricht unter der Überschrift "Mit Hegel lernen, das Bomben zu lieben" die amerikanische Ausgabe "Kissinger’s Shadow"… Und vollführt eine merkwürdige Wendung.
Stein bestreitet zwar nicht, dass Grandin das Treiben Kissingers korrekt darstellt, mäkelt aber, dass die Verbrechen der sowjetischen Gegenseite im Kalten Krieg unterbelichtet bleiben und kommt zu dem Schluss: Kein Krieg nützt auch nichts.
"Amerika hat seine Truppen aus dem Irak und Afghanistan weitgehend zurückgezogen. Es hat einen Deal mit einem erklärten Feind, der 'Islamischen Republik Iran', abgeschlossen. Es hat den von ihm unterstützten Diktator – Ägyptens Präsident Mubarak – bei der ersten Gelegenheit im Stich gelassen […]. Als Resultat sind rund um den Globus bekanntlich blühende Landschaften entstanden. Nicht wahr?"...
rettet sich WELT-Autor Stein ins Sarkastische - und liegt unseres Erachtens komplett falsch!

"Das Leben wird immer gemütlicher"

Dem amerikanischen Abzug aus dem Irak ging bekanntlich dessen perspektivlose Eroberung voraus – weshalb der neuere Nahost-Schlamassel schießwütige Politik à la Kissinger nicht entschuldigt, sondern erneut desavouiert.
Übrigens: Hillary Clinton, die ja ins Weiße Haus möchte, unterstreicht dieser Tage gern ihre gute Beziehung zu Old Henry. -
Uns aber würde es gefallen, wenn die NZZ richtig läge. Sie titelt – man höre und staune:
"Das Leben wird immer einfacher und gemütlicher."
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