Aus den Feuilletons

Der Wert eines Auftragsschreibers

Eine Hand hält zahlreiche Euro-Banknoten, aufgenommen am 03.01.2014 in Frankfurt am Main (Hessen).
Lukrative Angebote für Journalisten sollen aus Saudi-Arabien gekommen sein © picture-alliance / dpa / Daniel Reinhardt
Von Tobias Wenzel · 28.06.2015
Saudi-Arabien soll geplant haben, ausländische Journalisten als Auftragsschreiber zu kaufen, berichtet die "SZ" auf der Basis von Veröffentlichungen von Wikileaks: 7500 Euro Grundgehalt plus 300 Euro für jeden positiven Artikel sollen aufgeboten worden sein.
"Wer wissen will, wie es momentan in Griechenland aussieht, hat eine einfache Möglichkeit."
So schreibt Dirk Schümer in der WELT. Und man denkt unweigerlich: einfach mal Schlange stehen am Geldautomaten in Athen? Aber Schümer hat da eine ganz andere Methode im Sinn, um das jetzige Griechenland zu verstehen, nämlich die Lektüre der Romane von Petros Markaris. In dessen neuem Krimi "Zurück auf Start" begegne man korrupten Funktionären und dreisten Unternehmern, faschistischen Polizeibeamten und rassistischen Obdachlosen, die, so Schümer, "nicht einmal die zugewanderten Leidensgenossen mit ihrer Brutalität" verschonten.
Der WELT-Autor ist angetan davon, dass Markaris im Gegensatz zur griechischen Regierung die Schuld für die verheerende Lage des Landes niemand anderem zuschreibt als den Griechen selbst:
"Der 'Schattenstaat' der geschmierten Vetternwirtschaft ist es, der Griechenland schlimmer im Würgegriff hält als alle Banken und Währungsfonds zusammen."
… versucht Dirk Schümer die Meinung von Petros Markaris aus dem neuen Krimi herauszulesen.
Die Logik des Dschihadismus
Gilles Kepel versucht seit Jahren, islamistische Anschläge mit Blick auf die Gesellschaft, die arabische und die westliche, einzuordnen. Lena Bopp hat den Soziologen für die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG in Paris besucht. Die neuen Attentate in Tunesien und Lyon haben Kepel nicht überrascht. Sie entsprächen "vollkommen der Logik des gegenwärtigen Dschihadismus", sagt er.
Und diese Logik bestehe darin, die Länder an ihren empfindlichsten Stellen zu treffen: Tunesien im Tourismus und Frankreich beim Thema Integration von Einwanderern. Denn der Attentäter von Lyon hat, wie es scheint, seinen eigenen Chef geköpft. "Einen wie ihn wird niemand mehr einstellen", erläutert der Soziologe die von den Islamisten gewünschte Wirkung. Durch vermehrte Anschläge in Europa und den USA solle eine Radikalisierung der westlichen Gesellschaft ausgelöst werden.
Bürgerkriegsähnliche Zustände könnten die Folge sein. Das sei der Plan der Islamisten, behauptet Gilles Kepel im Gespräch mit Lena Bopp von der FAZ. Es bestehe also dringender Handlungs- und auch Forschungsbedarf. Umso verwunderlicher erscheint es dem Soziologen, dass sein Lehrstuhl für arabische Studien an der Pariser Elite-Universität Sciences Po 2010 aufgelöst wurde und bis heute nicht wieder eingerichtet worden ist.
Deutsche Journalisten als Auftragsschreiber?
Was verdient wohl der Inhaber eines solchen Lehrstuhls? Mehr als 7500 Euro?
"Wie viel würde es kosten, einen deutschen Journalisten als Auftragsschreiber zu kaufen? Reichten 7500 Euro im Monat?"
So fragen Stefan Buchen, John Goetz und Hans Leyendecker in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG. Die Enthüllungsplattform Wikileaks hat nämlich zuletzt nicht nur brisante Dokumente zu Überwachungspraktiken der NSA veröffentlicht, sondern auch zu Saudi-Arabien.
Demnach plante Saudi-Arabien, ausländische Journalisten für eine positive Berichterstattung über das oft kritisierte Land zu kaufen, ganz konkret auch fünf deutsche Journalisten. Das monatliche Grundgehalt sollte 7500 Euro betragen. Für jeden positiven Artikel sollte es einen Bonus von 300 Euro geben. Das Tilgen einer negativen Nachricht über Saudi-Arabien sollte mit 500 Euro belohnt werden.
"Ob die saudische Kampagne tatsächlich gestartet wurde, ist nicht bekannt", schreiben die SZ-Autoren schließlich. Und der Leser fragt sich: Wäre ihm das nicht aufgefallen? Und ich frage mich: Steht das Angebot noch? Hört ihr mich, liebe Saudis? Ich habe da schon mal für euch einen kleinen positiven Probetext vorbereitet:
"Saudi-Arabien ist ein innovatives Land: Es verbietet den Frauen, Auto zu fahren, und setzt damit um, was viele deutsche Männer doch schon lange insgeheim fordern. Saudi-Arabien ist ein kreatives Land: Statt langweiliger Geld- oder Freiheitsstrafen gibt’s oft Peitschenhiebe, die Amputation von Körperteilen oder die Enthauptung. Saudi-Arabien, ich hab Dich lieb.“
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