Aus den Feuilletons

Der Literatur ans Leder

Schreiben? - Kein Problem. Doch wer soll das alles lesen?
Schreiben? - Kein Problem. Doch wer soll das alles lesen? © picture alliance / dpa / Wolfgang Kumm
Von Hans von Trotha · 27.11.2014
In den Feuilletons geht es diesmal vor allem um Heroen ganz verschiedener Kulturfelder: AC/DC, Ken Follett, Christian Lehnert und Thomas Bernhard. Die FAZ allerdings will außerdem eine aktuelle Politikfigur zu einem literarischen Helden machen.
Müssen wir uns Sorgen um die Literatur machen? Nach diesem Feuilleton-Tag kann man nur sagen: Aber hallo!
Schließlich ist gerade eine Ära zuende gegangen. Die "Königin des Kriminalromans" ist gestorben. So hat die BERLINER ZEITUNG ihren Nachruf auf P.D. James überschrieben. Darin wird aufgezählt, was für Instrumente die englische Gesellschaft bereithält hat, um ihre Dichterinnen und Dichter zu ehren:
"P.D. James Porträt hängt in der National Portrait Gallery, die Sunday Times nannte sie 'Queen of Crime´, 1991 wurde sie als 'Baroness James of Holland Park´ in den Adelsstand erhoben, die echte Queen verlieh ihr 1983 den Titel 'Officer of the Empire´".
Hierzulande ist das Verhältnis zwischen Politik und Literatur eher verkrampft. Das belegt Cornelia Geisslers Bericht in der BERLINER ZEITUNG über eine Begegnung des Bundestagspräsidenten Norbert Lammert mit dem Dichter Christian Lehnert in der Berliner Literaturwerkstatt:
"Poesie und Politik hätten zusammenfinden können an diesem Abend. Doch einer hatte darauf keine Lust." – Und das war nicht Lammert. Dem allein, so Geissler, blieb es "vorbehalten, etwas Glanz, vor allem ein unterhaltsames Element in den Abend zu bringen. Etwa so: 'Wenn mir ein Fußballprofi sagen würde, dass er prinzipiell keine Gedichte liest, würde mich das nicht beunruhigen. Wenn ein Politiker das sagte, würde es mir schon zu denken geben.'"
Und wie wäre das bei einem Musikkritiker? Vielleicht ganz gut, er würde nicht zu viele Gedichte lesen, wenn es gerade um – sagen wir, zum Beispiel: AC/DC geht.
"Man muss davon ausgehen",schreibt Max Fellmann in der SÜDDEUTSCHEN, "dass sich weder die Brüder Young noch Brian Johnson je mit Gertrude Stein beschäftigt haben. Dabei hat die amerikanische Schriftstellerin schon vor fast hundert Jahren notiert, wie das Werk von AC/DC funktioniert: Eine Rose ist eine Rose ist eine Rose ist eine Rose. Oder um es in Anlehnung an einen klassischen AC/DC-Song zu sagen: Eine Rosie ist eine Rosie ist eine Rosie ist eine Rosie."
Was Fellner sagen will, ist, dass AC/DC immer gleich klingt. Mit Gertrude Stein hat das allerdings ebensowenig zu tun wie mit Thomas Bernhard, den Fellner ebenfalls bemüht, und zwar so: "AC/DC ist tatsächlich die einzige Band der Welt, bei der stumpfe Wiederholung als künstlerischer Gewinn gilt ... man fühlt sich fast an den späten Thomas Bernhard erinnert – hätte dem je einer angekreidet, dass er immer dieselben Tiraden absondert?"
Hätte nicht, weil´s nicht so war.
Edo Reents fordert in der FAZ anlässlich des Titel-Stücks der neuen AC/DC-Platte: §Dafür müsste Sänger Brian Johnson nun aber endlich mal den Literaturnobelpreis kriegen."
An diesem Feuilleton-Tag scheint es einfach keine Schamgrenze zu geben, wenn es um Literatur geht. Christian Geyer versteigt sich in der FAZ zu dem Satz: "Julian Nida-Rümelin ist das, was man im überraschenden Wechsel von Zugriff und Zaudern durchaus eine literarische Figur nennen kann."

Ken Follett, das steht in der Berliner Zeitung, "hofft durch die zeitgleiche Veröffentlichung eines Computer-Spiels auf zusätzliche Leser für seinen im Herbst 2017 erscheinenden Roman".
Und in der Süddeutschen schreibt Florian Kesssler: "Wenn das so weitergehen soll mit dem einstmals gediegenen Münchner Literaturfest, dann müsste nächstes Jahr eine betrunkene Abrissbirne zum Kurator ernannt werden."
Wer nun glaubt, schlimmer geht es nicht, der sollte sich hüten, die taz-Kultur aufzuschlagen. Da würde er auf Francesco Giammarcos Bericht über den "National Novel Writing Month, kurz NaNoWriMo" stoßen: "Über 300.000 Menschen nehmen an ihm teil. ... In 30 Tagen sollen 50.000 Wörter geschrieben werden. Die Idee dahinter ist es, den 'inneren Lektor´, wie es die NaNo-Community nennt, abzustellen. ... Das offizielle Motto lautet: 'The World Needs Your Novel´, das Mantra seiner Teilnehmer: 'Quantity over Quality´; und Chris Baty, der den NaNoWriMo ... erfand, ist Autor des Buches No Plot? No Problem!"
Das gibt es wirklich. Ich hab´s gegoogelt. Ach, für die neuesten Google-Nachrichten ist hier jetzt gar kein Platz mehr. Aber die Botschaft ist ja klar: Die Literatur kriegen wir offensichtlich auch so ruiniert. Dazu brauchen wir Google gar nicht mehr.