Aus den Feuilletons

Der lächelnde Optimismus von Stewardessen

Full Service: Sky Bar in der Business Class an Bord einer Emirates-Maschine (Airbus A 380)
Nahuel Lopez mag die Freundlichkeit von Stewardessen nicht und sagt über sich: "Ich bin ein Optimist, der noch Tränen in sich trägt." © JOHANNES EISELE / AFP
Von Tobias Wenzel · 06.12.2014
Die Feuilletons teilen aus. Der Kunstfälscher Wolfgang Beltracchi habe keinen Erfolg mit dem eigenen Werk, weil "es sieht einfach nicht aus". Nahuel Lopez lästert im Interview über den zwanghaften Optimismus von Stewardessen und die "Welt" über verwöhnte Kollegen vom "Spiegel".
"Manuela ist da, sein dreibeiniger Hund. Auf einer Leine zwischen zwei Bäumen wehen die Bettlaken des Präsidenten", schreibt Nahuel Lopez in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN SONNTAGSZEITUNG, um auf das folgende Interview mit José Mujica in dessen Bauernhaus hinzuführen. Und schon ist klar: Der Präsident Uruguays ist anders als alle anderen Präsidenten dieser Welt. Einst war er Guerilla-Kämpfer, heute spendet er 90 Prozent seines Einkommens den Armen.
Er hat in Uruguay den Konsum von Cannabis und die Abtreibung legalisiert und die gleichgeschlechtliche Ehe ermöglicht. "Ihr Auftreten ist ein Affront gegen die politische Klasse", stellt der Interviewer Lopez fest. Und der Präsident antwortet, er bleibe halt seinem Stil treu: "Ich trage also keine Krawatten, weil ich finde, dass das ein alter Lappen ist, der einem am Hals herumbaumelt und keine Funktion erfüllt." José Mujica verbrachte vierzehn Jahre im Foltergefängnis. Und doch: "Ich bin ein Optimist, ohne diesem ordinären Optimismus zu verfallen. Dieser lächelnde Optimismus von Stewardessen, die einem einen belanglosen Service andrehen wollen. Ich bin ein Optimist, der noch Tränen in sich trägt."
Beltracchi erntet Hohn und Spott
Der Kunstfälscher Wolfgang Beltracchi verbüßt noch den Rest seiner Gefängnisstrafe, allerdings ohne deswegen Tränen in sich zu tragen. Als Freigänger genießt er nämlich am Tag das Leben und Malen und porträtiert nun vor laufender Kamera vier Prominente und seine eigene Tochter. Man brauchte schon detektivische Fähigkeiten, um aus Hubert Spiegels FAZ-Artikel vom Mittwoch herauszulesen, dass es in seinem Text um die 3sat-Reihe "Der Meisterfälscher" ging. Und zwar um die dritte, noch längst nicht ausgestrahlte Folge, in der Beltracchi den Schriftsteller Daniel Kehlmann im Stile von Giorgio de Chirico malt. Spiegel machte sich über Beltracchi und Kehlmann lustig. Er unterstellte Kehlmann, er "hätte so gern etwas Halbseidenes". Und über Beltracchi schrieb er herablassend: "Er ist berühmt und wird dafür gepriesen, dass er keinen eigenen Stil hat, aber viele Stile so gut kopieren kann, dass sogar Kenner darauf hereinfallen. Für manchen ist das eine Kunst. Zu schade, dass sich der Begriff halbseiden nicht steigern lässt."
Die Kunstkritikerin Catrin Lorch fragte sich in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG anlässlich der Ausstrahlung der ersten Folge mit Harald Schmidt als Porträtiertem, warum Beltracchi eigentlich keinen Erfolg mit seinen "Eigenschöpfungen" habe. Lorchs Antwort wird dem Fälscher nicht gefallen: "[...] es sieht einfach nicht aus." Thomas Gehringer vom TAGESSPIEGEL hat die erste Folge begeistert gesehen: "Fälscher-Handwerk wird zu unterhaltsamem Bildungsfernsehen, wenn das keine tätige Reue ist." Tätige und süße Reue. Wer weiß, wie viele Millionen Euro Wolfgang Beltracchi noch rechtzeitig in Sicherheit gebracht hat ...
Auch die SPIEGEL-Redakteure ließen es sich so richtig gut gehen. Daran erinnerte Reinhard Mohr in der WELT. Der Anlass: Spiegel-Chefredakteur Wolfgang Büchner verlässt den Verlag Ende des Jahres. Verloren ist der Machtkampf gegen die Mehrheit der meuternden Print-Redaktion. Die träume, trotz bedrohlich sinkender Auflagenzahlen, noch immer von den guten alten Zeiten: "Schließlich ist es keine Ewigkeit her, dass die vielfach privilegierten Heftredakteure mit Handtuch und Bademantel in die verlagseigene Sauna marschierten und sich anschließend schön massieren ließen. Dann Kaffee und Kuchen." Reinhard Mohr sprach da aus Erfahrung. Er war jahrelang Kulturredakteur beim Spiegel, danach aber auch Mitarbeiter der Online-Ausgabe. Die von Chefredakteur Büchner geplante Verzahnung von Spiegel und Spiegel-Online hätten die Print-Mitarbeiter gefürchtet: "Manche Spiegel-Redakteure brüsteten sich, niemals die Webseite anzuklicken.
Das schien unter ihrer Würde zu sein. Leider bekamen sie so aber auch nicht mit, dass viele junge Online-Leser (die doch immerhin Leser sind!) ältere Zeitgenossen bei Gelegenheit ganz erstaunt fragten: "Ach, gibt's da noch ein Heft dazu?"
"Ohne Heine kein Feuilleton"
Ob Print oder Online – Karl Kraus, der Journalisten-Verächter, hätte da wohl keinen Unterschied gemacht. Der Schriftsteller Jonathan Franzen hat nun zwei Essays von Karl Kraus kommentiert und als Buch veröffentlicht. Als junger Mann wurde Franzen von Kraus sofort in den Bann gezogen, genauso wie manch andere Schriftsteller und einige Feuilletonisten. "Wir nicht", rufen Niklas Maak und Volker Weidermann in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN SONNTAGSZEITUNG aus. Das erbarmungslose Angreifen seiner Feinde und seine Frauenfeindlichkeit sprächen gegen Kraus. Wer Sätze wie "Die Sprache regt an und auf, wie das Weib" und "die deutsche Sprache ist eine Gefährtin, die nur den dichtet und denkt, der ihr Kinder machen kann" geschrieben habe, den könne man doch nicht allen Ernstes verehren und sich gleichzeitig über Bushidos Texte aufregen. In "Heine und die Folgen" griff Karl Kraus Heinrich Heine an, den er für einen verweichlichten Dichter hielt. Die beiden FAS-Autoren zitieren aus dem Essay: "Ohne Heine kein Feuilleton. Das ist die Franzosenkrankheit, die er uns eingeschleppt hat."
Na, spüren Sie es schon, lieber Hörer? Wie das Virus des gerade zitierten Feuilletons in Ihren Körper krabbelt? Keine Sorge: Feuilletonitis ist nicht lebensbedrohlich. Sie können nur gewinnen. Denn, so José Mujica, Uruguays Präsident: "Die einzige Niederlage ist der Tod."
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