Aus den Feuilletons

Der Katzenjammer nach Trumps Wahl ist groß

Sie sehen Donald Trump auf einer Bühne, er klatscht in die Hände.
Der Wahlsieg von Donald Trump lässt die Feuilletons nicht los. © imago stock&people, 73468783
Von Adelheid Wedel · 15.11.2016
Donald Trump beherrscht weiter die Feuilletons. Die "Süddeutsche Zeitung" versucht, die Konsequenzen abzuschätzen. Und kritisiert das "aktuelle Zukreutzekriechen vieler linksliberaler Intellektueller".
Der Wahlsieg Donald Trumps lässt die Feuilletons nicht los - oder sollte man sagen: Die Feuilletons lassen dieses Thema noch nicht los? In der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG vom Mittwoch greift Gustav Seibt das Thema unter der Überschrift "Die Unbeherrschtheit des Herrschers" erneut auf - und er fragt: "Ist der Moment gekommen, in dem die Demokratie in die Tyrannis umschlägt?" Zu beobachten ist, "viele Intellektuelle versuchen zu verstehen, was man aus der Geschichte über Donald Trump lernen könnte." Kenntnisreich bemüht Seibt zahlreiche historische Vergleiche - nichts für eine kurze Zusammenfassung. Nur diese Warnung von Platon: "Aus einem Übermaß an Freiheit kippt der Staat in die Knechtschaft." Seibt dazu: "Ein Trump verhöhnt alle Sitten und ungeschriebenen Gesetze, er setzt aufs Recht des Stärkeren in einer Gesellschaft von Unbeherrschten, die nur noch an ihre partikularen Interessen und Vorrechte denken." Der Autor kritisiert das "aktuelle Zukreuzekriechen vieler linksliberaler Intellektueller, man habe sich zu stark um Minderheitenrechte und zu wenig um die weiße Arbeiter- und Mittelklasse gekümmert."
Jetzt sei der Katzenjammer groß, registriert er und stellt fest: "So bleibt im Moment der Ungewissheit nur der Blick auf den Charakter des neuen Präsidenten," auf seine Unbeherrschtheit. "Niemand weiß, wie sich Trumps Regierung entwickeln wird." Peter Richter hält auf derselben Seite der SZ fest: "Eine apokalyptische Grundstimmung durchtränkt seit einer Woche die amerikanische Normalität. Gleichzeitig wird auch die schon wieder maximal pragmatisch gehandhabt."

Keith Jarrett begeistert mit "A Multitude of Angels"

Und was kommt sonst noch so aus den USA? Der US-amerikanische Pianist Keith Jarrett hat jetzt alte Aufnahmen im Stil seines "Köln Concerts" veröffentlicht, meldet erfreut die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG. Thomas Steinfeld rezensiert die Sammlung mit dem Titel "A Multitude of Angels", "vier Platten, die Jarretts tatsächlich letzten Solokonzerte mit Improvisationen im großen Format dokumentieren. Diese Reproduktion zielt darauf, die Flüchtigkeit, die grundsätzlich mit der Musik verbunden ist, zu einem nicht wiederholbaren Moment von großer Komplexität und Schönheit zu überhöhen." Deswegen tragen die "Stücke" keine Namen, sondern sind nur durch Ort und Zeit gekennzeichnet. Man habe Jarrett diese Überhöhung als Selbstbezogenheit und romantischen Wahn ausgelegt, aber - so Steinfeld - "es handelt sich dabei um ein künstlerisches Konzept. Die Stücke sind jetzt Klassiker, im strengen Sinne etwas, das man nur in seiner Distanz zur Gegenwart erkennen kann, aber auch etwas, das allem Gebrauch, aller Vereinnahmung und sogar aller Unwissenheit gegenüber widerständig ist."

Wie gut ist "Paterson" von Jim Jarmusch?

Weiter geht's mit US-amerikanischer Kunst. Jan Schulz Ojala nennt im TAGESSPIEGEL "Paterson" von Jim Jarmusch den Film des Jahres. Der Streifen "feiert den sozialen und privaten Frieden - und den Künstler in jedem Menschen", lobt der TAGESSPIEGEL. Im Interview mit der Zeitung sagt der Regisseur: "Meine Hauptfigur sollte ein Working-Class-Poet sein, an dem Bilder, Informationen und Gespräche vorbeidriften, während er seiner Arbeitsroutine nachgeht. Mein Protagonist sollte während der Arbeit die Welt in sich aufnehmen. Es liegt eine besondere Schönheit in dieser Sicht auf die Welt."

Lob für ARD-Produktion "Ein Teil von uns"

Überschwängliches Lob im Voraus bekommt die ARD-Produktion "Ein Teil von uns", die an diesem Mittwoch im Abendprogramm läuft. Sie bringt ein Wiedersehen mit Jutta Hoffmann, ehemals Star-Schauspielerin in der DDR. Nun stellt sie eine abgewrackte Alte dar, die, säuft und ihr Leben nicht mehr im Griff hat. Neben dieser Glanzleistung brilliert Brigitte Hohmeier, insgesamt ergibt das ein "Familiendrama mit Würde und Widersprüchen", meint Benedikt Frank in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG. Barbara Möller schreibt in der WELT ebenfalls über "die zwei Ausnahmeschauspielerinnen" und schließt mit dem wahrlich selten gehörten Lob: "Ab und zu traut sich die ARD eben doch noch was. Was Richtiges. Was, womit sie Ehre einlegt."
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