Aus den Feuilletons

Der Bürger als Feind

Demonstranten in Baltimore halten ein Schild hoch, auf dem steht: "Justice for all"
Demonstranten in Baltimore © Jim Lo Scalzo, dpa picture-alliance
Von Arno Orzessek  · 21.05.2015
Die US-amerikanische Polizei schützt nicht die Bürger, sondern verhält sich wie eine Besatzungsarmee, sagt der Regisseur und Filmproduzent Jamal Joseph. Die Ursache dafür liege in der Militarisierung der Polizei.
Zum Frischmachen vorab ein kleines Rätsel, liebe Hörer.
Sie bekommen gleich genau das serviert, was Sie erwarten: die Kulturpresseschau inklusive handverlesener Zitate aus den Feuilletons. Kein einziges Zitat allerdings stammt von einem Journalisten.
Erraten Sie, wie das geht? Aus Zeitungen zitieren, ohne Journalisten zu zitieren?
Nun, die vielen Pfiffikusse unter Ihnen haben längst richtig kombiniert: Heute interessieren uns ausschließlich Interviews ...
Und zunächst reichen wir Paul D. Millier alias DJ Spooky das Wort.
Der afroamerikanische New Yorker Multimediakünstler erklärt in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG, warum er das poetische Konzept des Afrofuturismus für die Grundlage des digitalen Zeitalters hält.
"Die afrikanische Idee einer Open-Source-Kultur stand doch Modell sowohl für iTunes und Google als auch für die ganze rhizomatische Art des Geschichtenerzählens im Internet. Marshall McLuhan sprach schon in den 1960er-Jahren von einem 'New Africa'. Er meinte damit eine Kultur des geteilten Wissens, des ständigen Austauschens und Modifizierens. Hip-Hop ist vor 40 Jahren aus diesem Geist entstanden, heute beflügelt er die App-Designer",
erklärt DJ Spooky unter dem Titel "Das Konzept der Originalität ist überholt" in der NZZ.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG unterhält sich unterdessen mit dem US-amerikanischen Regisseur und Filmproduzenten Jamal Joseph.
Für Joseph, einst inhaftierter "Black Panther", mittlerweile Professor an der Columbia University, ist die Gewaltaffinität der amerikanischen Polizei leicht erklärlich.
"Das hat mit der Militarisierung [...] zu tun. Wir rüsten unserer Polizei mit derselben Gerätschaft aus wie unser Militär, sie bekommen dasselbe Training wie das Militär, und sie reagieren wie Militärs, wenn sie einen Krisenschauplatz betreten. Man denkt, sie sollten Bürger beschützen. Aber sie benehmen sich wie eine Besatzungsarmee, die den Feind bekämpft."
Noch lauter klagt Jamal Joseph im Blick auf die überfüllten amerikanischen Gefängnisse - die er für eine Folge von deren Privatisierung hält.
"Gefängnisse sind heute eine Industrie wie jede andere. Das heißt, sie tun alles, um zu wachsen. Manche Kinder überlässt man lieber einer Gefängniszukunft, denn mehr Gefängnisse bedeuten eben mehr Geld durch Verträge mit Gefängnisfirmen und dem Staat. Hier ist eine Sklavenmentalität am Werk: Schwarze existieren nur, um sie einzuschließen und Profit aus ihnen zu ziehen. Wir lassen sie für 20 Cent pro Stunde arbeiten. Technologie- und Telefonunternehmen machen enormen Gewinn mit diesem Modell",
empört sich Jamal Joseph in der FAZ.
"Lebenslang" - so überschreibt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG ihr Interview mit der französisch-marokkanischen "Charlie Hebdo"-Redakteurin Zineb El-Rhazoui.
"Ich stehe seit dem 8. Januar [dem Tag der Anschläge in Paris] unter Polizeischutz, insbesondere aber seit einer Welle von Morddrohungen im Februar. Eine dieser Drohungen war ein Brief vom 'Islamischen Staat': Durch ein Wunder hast du die Anschläge überlebt, aber wir schwören, wir schließen unsere Augen erst, wenn dein Kopf von deinem Körper getrennt ist."
Für El-Rhazoui steht außer Frage, dass der Islam als solcher - also als Religion - für die blutrünstige Gesinnung ihrer Feinde verantwortlich ist.
"Das Problem liegt in einer gewissen Ideologie, die innerhalb des Islam stark gewachsen ist. Selbstverständlich repräsentiert sie nicht alle Muslime - aber einen Teil. Und somit gehört diese Ideologie zweifellos zum Islam. Das Problem in Europa ist, dass man immer sofort zu hören bekommt: Islamophobie! Was bitte ist das für ein intellektueller Schwindel, der uns glauben machen will, die legitime Kritik an einer Religion sei so etwas wie Rassismus?"
erregt sich in der SZ die von Mord bedrohte Zineb El-Rhazoui.
Wollen Sie, liebe Hörer, über Pfingsten mal wieder Sport machen? Dann beachten Sie bitte die Warnung, die in der FAZ Überschrift wurde:
"Wehe dem, der seinen Körper trainiert, aber nicht sein Herz."
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